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Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)

Titel: Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Vera Sieben
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dran.
    Ohne ein
Ziel verließ Liv das Zimmer. Ob von Schenck noch irgendwo anzutreffen war?
    Liv stand
im Hotelgang auf einem schmalen, endlos lang erscheinenden, perserartig verzierten
Teppich. Rechts und links säumten ihn in kurzen Abständen Türen. Hinter fast jeder
dieser Türen schliefen, arbeiteten oder vergnügten sich Menschen mit den unterschiedlichsten
Zielen und Bedürfnissen. Jeder hatte seine Geschichte, die er für eine oder mehrere
Nächte, unbeobachtet von anderen, mit in diese Gemäuer brachte. Was diese Zimmerwände
alles zu erzählen hätten, könnten sie sprechen? Liv war sich nicht recht im Klaren,
ob sie tatsächlich alles hätte wissen mögen – ihre eigenen Erlebnisse hinter diesen
Mauern eingeschlossen.
    Sie ging
weiter den Gang entlang. Aus einem Raum hörte sie lautstark den Fernseher laufen,
schnell ging sie vorbei. Hier war sie noch nie zuvor gewesen. Sie entdeckte eine
Glastür und den Hinweis auf eine Feuertreppe. Ihr folgte sie ein Stockwerk höher.
Dieser Gang sah genauso aus wie der untere. Nur die Etagenzahl und die Zimmernummern
besagten, dass sie sich auf einer anderen Etage befand. Das Spiel verfolgte sie
noch zwei weitere Ebenen hoch. Bis auf wenige Details wie Dekoration und Bilder
ähnelten sich alle Flure wie ein Ei dem anderen. Die Schräge des Daches wies darauf
hin, dass dies nun die oberste Etage war. Am Ende des Korridors stand eine Truhe
vor einem Fenster. Zur Orientierung wollte Liv aus diesem Fenster sehen. Sie ging
zielstrebig darauf zu, wieder vorbei an vielen Türen. Aufgrund der schon vorgerückten
Stunde bemühte sich Liv, leise zu sein. Den Ärger um eine schlaflose Nacht in einem
200-Euro-Zimmer konnte sie gut nachfühlen.
    Diese langen,
leeren Gänge ließen die Fantasie reifen. Der Spieltrieb wurde geweckt, Erinnerungen
an alte Kriminalfilme kamen hoch. Diese Kombination von Unbekanntem und dem ›Dafür-habe-ich-bezahlt-Gefühl‹
ließ manche Scheu vor den Folgen der Neugierde verblassen. Jetzt wäre Liv gern Kind
gewesen, spielte mit ihren Freunden Verstecken oder Räuber und Gendarm. Herrlich
wäre es, unbeobachtet von den Eltern durch die Hotelanlage zu toben.
    Liv drückte
sich am Glasfenster die Nase platt, um nicht nur ihr Spiegelbild, sondern den Ausblick
erkennen zu können. Den Fernsehturm sah man von hier aus nicht leuchten, nur Lampen
in gleichmäßigem Abstand auf Gehwegen zum Park und dahinter sich bewegende Lichter,
die von vorbeifahrenden Autos herrührten. Klar, es war Freitag, viele Touristen
und Einheimische fuhren noch zu den Event-Lokalitäten zwischen Kö und Altstadt.
    Plötzlich
verharrte Liv, auf die Truhe gestützt, in ihrer unbequemen Haltung , weil sie das
Kreischen einer Frau hörte.
    ›Bitte nicht
noch einen Mord oder einen Überfall!‹, dachte Liv. Sie hatte weder etwas zur Verteidigung
oder ein Handy dabei, noch war sie orientiert, wo genau sie sich befand, wo genau
sie nun Hilfe herbekam. Die schrillen Töne nahmen kein Ende. Genau verstehen konnte
Liv die Worte nicht, es war eine fremde Sprache.
    Langsam
verlagerte sie ihr Gewicht von der Truhe, diese knackte. Liv hielt inne, das Geschrei
stoppte. Als es nach kurzer Pause wieder losging, schlich Liv zu der Tür, aus deren
Zimmer der Lärm kam. Ihr Blick zum Gang beobachtete den Fluchtweg und die anderen
Hoteltüren. Falls hier oben Räume vermietet waren, rechnete sie damit, dass sehr
bald die ersten Gäste verschlafen aus ihren Zimmern blinzelten, um die Ursache des
Lärms zu orten und ihre Unbill darüber loszuwerden. Es hörte niemand oder interessierte
keinen, Liv war allein mit dem aggressiven Schreien.
    Es war eine
Frauenstimme, keine hörbare Widerrede, also wahrscheinlich am Telefon. Den zischenden
Lauten nach zu urteilen, konnte es sich um Spanisch handeln. Sie hatten ja auch
so etwas wie ein lispelndes ›th‹ im Englischen. Es war in höchster Erregung unvorstellbar
schnell gesprochen, genauer konnte man es beim besten Willen nicht einordnen, geschweige
denn auch nur einen Bruchteil verstehen. Liv horchte weiter. Mit einem in immer
höherer Stimmlage geschrienen Wortgeflecht stoppte alles mit einem dumpfen Poltern.
Es hörte sich für Liv so an, als sei das Hoteltelefon Opfer des Temperaments geworden
und der Hörer mit Volldampf und Gewalt auf die Gabel gepfeffert worden. Nun vernahm
Liv keine Stimme mehr, nur noch harte, schnelle Schrittgeräusche, die sich nach
spitzen Absätzen anhörten. Liv war in Startposition, jedoch hätte sie keine
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