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Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Titel: Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)
Autoren: Miriam Pharo
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Hier eine zart durchbrochene Bordüre, dort ein Bonsai. Ein roter Bonsai, wohlgemerkt. Auffälligstes Möbelstück ist eine Vitrine, die von der Decke hängt und in der sich eine Sammlung bemerkenswerter Flakons aus glasierter Keramik, leuchtendem Kristall und getöntem Milchglas befindet. Mir sticht ein besonders schönes Stück aus dunklem, oxidiertem Metall ins Auge, dessen Verschluss mit zwei Engelsflügeln besetzt ist.
      Vor der Vitrine steht eine hochgewachsene Frau. Ihr heller Hosenanzug aus Körperseide sitzt wie angegossen; die silberfarbenen Haare sind lose hochgesteckt; die Eleganz ihres Aufzugs wird durch eine teuer aussehende Perlenbrosche von !NR! geadelt. Ivy Füchtjohann, die Eigentümerin von ViveSenz, besitzt keine bemerkenswerten Züge; ihr blasses Gesicht wird von einem grell geschminkten, breiten Mund und einer großen Sonnenbrille beherrscht. Für ihr Alter – sie ist weit über achtzig – hat sie sich gut gehalten oder vielmehr erhalten lassen.
      „Danke, Rupert“, scheucht sie das Männchen unmissverständlich hinaus, bevor sie das Wort an mich richtet. „Entschuldigen Sie die Brille, aber ich habe lichtempfindliche Augen.“
      Ich nicke höflich. Viel wahrscheinlicher ist, dass nach einem Eingriff Komplikationen aufgetreten sind. Vielleicht ein Geschwür am Auge oder eine Rückbildung der unteren Lider. Keine Seltenheit bei plastischen Korrekturen wie das Polieren des Augapfels – gerade bei älteren Herrschaften eine beliebte Prozedur, um einen jugendlichen, strahlenden Blick zu erhalten. Zeichen dafür könnten die Tränen sein, die unablässig aus ihrem linken Auge quellen und die sie mit einem Spitzentaschentuch abtupft sowie der widerwärtige, leicht süßliche Geruch, der mir in die Nase steigt, als ich mich vorbeuge, um ihr die Hand zu reichen.
      Sie bittet mir nicht an, Platz zu nehmen, also bleibe ich stehen.
      „Danke, dass Sie mich empfangen“, beginne ich. „Ich bin hier, um den Tod von Lionel III. zu untersuchen. Diskret natürlich.“
      „Ja, das hat mir Rupert bereits erzählt. Die Polizei schickt Sie. Hmm…“ Ihr rechter Fuß klopft leicht auf den spiegelnden Boden. „Können Sie das beweisen?“
      Ich bluffe. „Fragen Sie Inspektor Brügell. Er leitet die Untersuchungen.“
      Sie wehrt ab und lächelt. „Nein, nein. So ein hübscher Mund wie der Ihre würde mich doch nicht anlügen.“ Ich beschließe, das anzügliche Schürzen ihrer Lippen zu ignorieren. „Was wollen Sie wissen?“
      „Erzählen Sie mir etwas über Lionel. Was genau hat er gemacht? Wer waren seine Freunde, wer seine Feinde?“
      Ivy Füchtjohann löst sich von der Vitrine, um das Sofa anzusteuern und fordert mich mit einer Handbewegung auf, am anderen Ende Platz zu nehmen.
      „Lionel kam vor vier Jahren zu uns, nachdem er den gesetzlichen Vocationtest zweiter Klasse absolviert hatte und ihm künstlerisches Talent sowie ein außergewöhnlicher Geruchssinn attestiert worden waren. Ich hatte schon befürchtet, er sei einer dieser üblichen Taugenichtse. Zu unser aller Überraschung und Freude stellte sich Lionel als das genaue Gegenteil heraus.“ Einen kurzen Moment lang bleibt ihre Hand mit dem Taschentuch an der Wange haften. „Innerhalb kürzester Zeit hat er seine Ausbilder überflügelt und vor zwei Jahren habe ich ihn zum Chefparfumeur ernannt. Dank seines Talents konnten wir unseren Profit fast verdoppeln. Sein Tod ist für uns ein großer Schock! Zum Glück war er fleißig und hat uns Kreationen für die nächsten fünf Jahre hinterlassen.“ Sie neigt den Kopf leicht zur Seite und schaut mich durch ihre blickdichte Sonnenbrille an. „Bitte halten Sie mich nicht für herzlos, Herr Verdict, aber ich muss ans Business denken.“
      „Natürlich.“ Ich lächele. „Wie ist sein gestriger Arbeitstag verlaufen? Hat er sich vielleicht mit jemandem gestritten?“
      „Soweit ich weiß, verlief der gestrige Tag normal. Lionel kam um 10:33 Uhr und verließ die Firma um 0:12 Uhr. Ich kann Ihnen gern die Protokolle schicken.“  
      „Das ist nicht nötig, vielen Dank.“ Je weniger Spuren ich hinterlasse, umso besser. „Kann ich vielleicht mit ein paar seiner Kollegen sprechen?“
      Ivy Füchtjohann senkt bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, Herr Verdict, aber bis auf Rupert sind wir beide allein auf dem Gelände.“
      Klasse.
      „Nachdem Lionels Tod bekannt wurde, sah ich mich gezwungen, alle Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Der Schock sitzt doch sehr
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