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Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Titel: Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)
Autoren: Miriam Pharo
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Ortungschip im Inneren entweder deaktiviert oder entfernt. Keine echte Überraschung.
      Gelassen setze ich meinen Weg fort und begebe mich zu einer Buntglastür, über der „Empfang“ steht. Ich muss nicht lange warten, bis sich vor mir in der Luft ein Cybergesicht mit exotischen Augen aufbaut.
      „Ja?“
      „Guten Tag. Mein Name ist Lucio Verdict. Es geht um Lionel III. und ich ...“
      „Drama Lama.“
      „Wie bitte?“
      „Wollen Sie kondolieren?“
      „Nein, ich mö…“
      „Wenn Sie von der Presse sind, muss ich Ihnen gleich sagen, dass Frau Füchtjohann keine Vier-Augen-Interviews gewährt. Heute Nachmittag gibt sie in der GCS ein Statement ab.“
      „Ich bin nicht von der Presse. Ich unterstütze die Metropolizei bei ihrer Arbeit“, improvisiere ich. „Sie hat mich hinzugezogen, weil ich mich hier auskenne.“
      Das Cybergesicht löst sich auf. Eine gefühlte Ewigkeit stehe ich vor der Tür und betrachte den nicht existenten Schmutz unter meinen Fingernägeln, als die Luft vor mir erneut zu vibrieren scheint.  
      „Einen Moment, bitte.“
      Es summt und die Tür gleitet zur Seite. Vor mir steht ein blasses Männchen mit schütterem Haar auf einem zu großen Schädel.
      „Folgen Sie mir“, haucht es und schlurft – meine entgegengestreckte Hand ignorierend – ins Innere zurück.
      Wortlos folge ich ihm. Gleichzeitig deaktiviere ich Regency . Wir durchqueren eine Art Vorzimmer mit Sitzecke und biegen in einen schmalen Korridor ab, der zu einer einzelnen Metalltür führt. Kurz verharren wir davor, bis mein Begleiter einen Zahlencode eingegeben hat, dann betreten wir eine riesige Halle. Sie erinnert mich an das alte 2-D-Foto eines englischen Bahnhofs, das ich einmal in der GCS gesehen habe. Die gewölbte, von außen unsichtbare Dachkonstruktion – ich nehme an, dass sie tiefer liegt als das restliche Gebäude – wurde aus Gusseisen und Glas gefertigt und steht auf riesigen Pfeilern. Ich tippe auf Marmor. Der Boden ist schwarzweiß gefliest und eine große Wanduhr zeigt die falsche Zeit an. Noch erstaunlicher ist das, was sich in der Halle befindet: wohin man sieht, dichtes Gewächs in jeder erdenklichen Farbe und Form. Nur dass die Blätter in der Masse nicht grün sind, sondern königsblau. Manche Pflanzen sind so gewaltig, dass sie das Dach beinahe berühren. Ich mache auf Anhieb mehrere korallenfarbige Kokospalmen aus, doch die meisten Arten sind mir unbekannt. Dazwischen entdecke ich glänzendes Metall. Werkroboter vermutlich. Zwei lange Gänge führen kerzengerade durch diesen bunten Urwald hindurch. Der Duft, der mich umgibt, ist kaum in Worte zu fassen.
      „Unsere Plantage“, murmelt mein menschlicher Guide.
      Jetzt ist es an mir zu hauchen. „Beeindruckend.“
      Wir gehen einige Schritte, als er etwas sagt, das ich nicht verstehe.
      „Wie meinen?“
      „Drama Lama“, tönt es wieder geheimnisvoll.
      „Meinen Sie etwa mich?“, entgegne ich schärfer als beabsichtigt.
      Abrupt bleibt er stehen. „Was? Wie?“
      „Sie nuscheln dauernd etwas von Drama Lama. Klären Sie mich auf!“
      Er kann mir nicht in die Augen sehen. Ich nehme es nicht persönlich. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich habe nichts gesagt.“
      Kaum haben wir uns erneut in Bewegung gesetzt, als der Kerl wieder sein Drama Lama ablässt. Ich beschließe ihn zu ignorieren.
      „Der Tote.“
      „Wie bitte?“ Ich komme mir vor wie in einem Theaterstück von Eugène Ionesco.
      „Lionel. Ein echtes Drama Lama.“
      Erleichtert atme ich aus. Endlich deutet sich so etwas wie Kommunikation an.
      „Erzählen Sie. Wie war er so?“
      „Wer?“
      Ich hole tief Atem. „Lionel III.“
      „Ich kann ihn nicht leiden.“
      „Warum nicht?“
      Achselzucken.
      „Und was können Sie sonst über ihn erzählen?“
      „Nichts.“
      Das Männchen wendet sich wieder ab und lässt mich einfach stehen. Während ich ihm folge, versuche ich nicht darüber zu grübeln, wie es mit dem Gutschi-Gutschi-Baby, das es für seine Mutter zweifelsohne einmal gewesen ist, so weit kommen konnte.
      Wir fahren in einem metallenen Käfig zum obersten Level und gelangen auf einen Laufsteg, der die gesamte Halle umrundet. Unser Ziel ist ein verglastes Büro im hinteren Teil mit Blick auf die darunterliegende schillernde Pflanzenpracht. Die Inneneinrichtung, bestehend aus einem sichelförmigen Sofa und einem Nierentisch, ist vorwiegend weiß mit einem Tupfer Rot.
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