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Friesenwut - Kriminalroman

Friesenwut - Kriminalroman

Titel: Friesenwut - Kriminalroman
Autoren: Hardy Pundt
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beruflichen und privaten Belastungen der letzten
Monate ein. Irgendwann musste es ja mal schiefgehen.

     
    Nach einiger Zeit kam Ulferts wieder herein. Er
schien sich beruhigt zu haben. Ohne sie anzusehen, begann er leise: »Sag mal,
hat der Staatsanwalt das …«
      Tanja unterbrach ihn: »Keine Ahnung. Eilsen
sagte, er würde das schon regeln. Und darauf habe ich mich verlassen.«
    »Verlassen. Ich sehe, wie man sich
auf jemanden verlassen kann! Außerdem geht er mit dem Staatsanwalt Golf
spielen«, Ulferts sah seiner Vorgesetzten direkt in die Augen. Wut und Empörung
waren darin zu lesen. Seitdem sie als ›die Neue‹ in Aurich aufgetaucht war,
hatte er sie insgeheim angehimmelt, diese intelligente, schöne, scheinbar immer
fröhliche Frau. Erstmals verspürte er nun andere Gefühle ihr gegenüber.
    »Ulfert, ich weiß, es war nicht
richtig, dich nicht zu informieren, aber … ich konnte doch nicht anders,
verdammt noch mal!«
    »Klar, der Chef hat es gesagt! Es
ist ja nicht so, dass wir nicht ab und an mal einen Tee zusammen trinken! Und
habe ich dich nicht immer in alles eingeweiht? Noch mal ganz klar: alles?
Selbst wenn es Verschlusssache war?«
    »Eilsen hat bestimmt, dass es
unter uns bleiben soll. Und damit meinte er sich selbst und mich – und
natürlich den Rechtsmediziner.«
    »Ja, wenn Eilsen das sagt …«,
Ulferts spielte nicht nur den Beleidigten, er war beleidigt. Und enttäuscht.
    »Er ist der Chef!«
    Ulferts drehte sich erneut zu
Tanja Itzenga und sagte ihr, sehr klar und deutlich: »Und ich, liebe Tanja,
dachte, wir wären nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde. Nicht mehr, das war
klar, doch wenigstens das!«
    »Sind wir doch, Ulfert … Bitte …«
    »Du kannst mich mal!«, rief er.
Diesmal hatte er nicht vor, wiederzukommen. Diesmal nahm er seine Jacke. Dieses
Mal warf er sie über die Schulter, drehte sich noch einmal um und sagte: »Das
war nicht richtig von dir, Tanja, ganz und gar nicht. Und wenn man so arbeitet,
ganz ohne Vertrauen, dann geht’s in die Hose. Jetzt sieh zu, wie du aus der
Scheiße wieder rauskommst. Ich, ich habe nur gemacht, was meine Chefin gesagt
hat.« Er verließ schnaubend das Büro.

     
    Tanja Itzenga setzte
sich. Das war der echte K. o., nicht nur der technische. Bis jetzt hatte sie
Haltung gewahrt. Jetzt, wo sie allein war, ging es steil bergab. Die Predigt
von Ulfert war zu viel. Den hatte sie fürs Erste verloren. Es würde schwer
sein, ihn wiederzugewinnen. Und sie hatte es verbockt. Sie musste endlich raus
hier. Brauchte Urlaub. Jetzt  – als habe sie es die ganze Zeit unter
Verschluss gehalten, spielte sich der ganze Film der über Monate gewachsenen
Belastung vor ihr ab: ständig in Bereitschaft bei der fortwährenden
Unterbesetzung der Polizei. Ständig die unausgesprochene Forderung: »Ach, dies
noch, Frau Itzenga, es ist sonst keiner da, der es machen könnte«, immer neue
Anforderungen. Dann ihre kurze Affäre, die bald schon wieder beendet war. Was
hatte er gesagt? ›Du bist doch mit der Polizei verheiratet und ich will kein
Ehebrecher sein‹, und war auf und davon. Der Tod des Vaters, erst vor wenigen
Wochen, völlig unerwartet … Der zusätzliche Fall Aldenhoff, den sie nicht hatte
übernehmen wollen. Sie war fertig mit den Nerven. Am Ende ihrer Kräfte. Das
erste Mal in ihrem Leben. Warum, warum hatte sie Ulferts nichts von all dem
erzählt? Er war wirklich ein netter Kerl, dem man sich anvertrauen konnte, ohne
dass er das gleich missinterpretierte. Ohne dass er sofort erwog, ob
irgendjemand etwas dagegen haben könnte. Warum musste sie immer die Starke
sein. Die, die nichts umhaute? Sie verspürte Lust, einen niemals endenden
Spaziergang am Deich zu machen, in die Ferne zu sehen, den Möwen nach. Wie war
das noch? Die schönste Sandbank der Welt, Töwerland? Sich dort ein bisschen
verzaubern lassen, an diesem ewig langen Nordseestrand, das würde jetzt helfen
… Kurz gab sie sich diesen Träumen hin. Nach einiger Zeit seufzte sie laut, es
hörte im Moment ja eh niemand. Dann besann sie sich auf ihren Job, setzte sich
an ihren Schreibtisch und begann, die Stellungnahme zu verfassen, die sich aus
all dem, was in den letzten Tagen passiert war, ergab.

     

     

44
    Freya Reemts konnte
nicht weinen. Sie war bestürzt, enttäuscht, ja, auch traurig. Dennoch –
weinen konnte sie nicht. Sie wunderte sich selbst. Manchmal rannen ihr die
Tränen schon bei ergreifenden Szenen in Kinofilmen die Wangen herunter. Jetzt,
im realen Leben,
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