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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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Thamsen wunderte sich, dass die offensichtlich nicht ungebildete Frau sich auf solch einen Deal eingelassen hatte.
    Doch sie hatte mit den Schultern gezuckt. »10.0000 Euro sind halt viel Geld, wenn man lang nichts verdient hat und die Rechnungen sich stapeln.«
    Aber das Geld hatte sie ja dann nie gesehen.
    »Warum haben Sie die Typen nicht angezeigt?« Sie hatte in Thamsens Augen sowieso nichts mehr zu verlieren gehabt, oder?
    »Weil sie gedroht haben, mir oder dem Kind etwas anzutun. Ohnehin haben sie meinen Sohn von der ersten Minute an als ihr Eigentum gesehen. Ich habe mich ja erst geweigert, auf den Hof zu ziehen. Als Sie gestern auftauchten, haben die gerade versucht, den Kleinen zu holen. Und am nächsten Morgen schon haben sie wieder vor der Tür gestanden und gesagt, wenn ich nicht mitkäme, nähmen sie den Kleinen eben ohne mich mit.« Trotz der Leihmutterschaft hatte Sonja Andersen natürlich Muttergefühle für ihr Kind entwickelt. Die anderen Frauen hatten eine ähnliche Vorgangsweise geschildert. Nur, dass nicht alle vor dem Arbeitsamt, sondern auch auf der Arbeit, beim Friseur oder bei der AWO angesprochen worden waren. Gesunde junge Frauen, die ganz offensichtlich über wenig oder gar kein Geld verfügten, hatten sich die Neonazis für ihr Projekt ausgesucht und in den meisten Fällen anscheinend sogar Erfolg gehabt.
    Er hob den Telefonhörer und wählte die Nummer der Husumer Kollegen.
    »Aber wieso haben die dann den Arzt umgebracht?«, fragte der Kollege, nachdem Thamsen den Sachverhalt geschildert hatte. Die Frage hatte er den Frauen auch gestellt, ebenso wie die nach dem Baby von Miriam Kuipers, aber darauf hatten sie ihm keine Antwort geben können.
     
    Als Haie zu sich kam, blieb es um ihn herum dunkel. Er klimperte ein paar Mal mit den Lidern, aber seine Augen waren geöffnet. Vorsichtig versuchte er sich aufzurappeln, erst da merkte er, dass seine Beine und Hände gefesselt waren und er sich so gut wie nicht bewegen konnte. Außerdem klemmte ein Knebel in seinem Mund.
    Er begann zu schwitzen, bemühte sich fieberhaft, sich die Momente vor seiner Ohnmacht ins Gedächtnis zu rufen. Doch da war nichts, er hatte nichts bemerkt. Er war auf das Zimmer zugegangen, aus dem er den Strahl der Lampe gesehen hatte. Oder war da ein Geräusch hinter ihm gewesen? Er versuchte sich zu konzentrieren, doch sein Kopf dröhnte und plötzlich hörte er Schritte. Eine Tür wurde geöffnet und ein Lichtstrahl fiel in den Raum. Er befand sich in einem Kinderzimmer. An der gegenüberliegenden Wand konnte er ein Gitterbettchen ausmachen, darüber ein buntes Mobile.
    Die Schritte kamen näher. Haie verdrehte sich den Hals, um zu sehen, was hinter ihm geschah, denn die Tür befand sich in seinem Rücken und an der Wand konnte er nur einen Schatten ausmachen. Doch auch als die Person vor ihn hintrat, konnte er im Gegenlicht nur eine schmale Gestalt erkennen. Er atmete erleichtert aus. Jedenfalls keiner dieser Schlägertypen wie dieser Ole. Sah eher aus wie eine Frau, vielleicht war es sogar Lisa Fischer. Die Gestalt, die er nur schemenhaft erkennen konnte, stand regungslos da und sagte kein Wort. Langsam wurde Haie unruhig. Warum reagierte die Person nicht? Er versuchte, sich noch ein Stück weiter in die Richtung der Gestalt zu drehen. Die tat plötzlich einen Schritt auf ihn zu und Haie erschrak. In der linken Hand sah er etwas Metallenes im Gegenlicht aufblitzen.
     
    »Hallo, Dirk«, begrüßte Marlene den Freund am Telefon. Sie war erleichtert, seine Stimme zu hören.
    »Marlene?«, Thamsen war überrascht. Mit ihrem Anruf hatte er nicht gerechnet. Er war gerade die letzten Berichte des Verhörs durchgegangen und hatte sie den Kollegen per Mail nach Husum geschickt.
    Die würden gleich morgen Ole Lenhardt dazu intensiver auf den Zahn fühlen. Auch wenn sie noch keine Beweise für den Mord hatten, wegen Erpressung und Körperverletzung kriegten sie den Kerl auch dran. Und die Sache mit der Leihmutterschaft war zusätzlich illegal. Denn laut dem Fortpflanzungsmedizingesetz war die Vermittlung von Personen, die bereit waren, sich entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung einsetzen zu lassen, unzulässig, hatte Thamsen zwischenzeitlich herausgefunden. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihm auch den Mord nachweisen konnten. Erfahrungsgemäß plauderte früher oder später immer der eine oder andere, wenn man ihm dafür Vorteile bei einer Gerichtsverhandlung versprach.
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