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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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Schließlich hatten sich die anderen Mitglieder auch strafbar gemacht. Er wusste zwar nicht, wie es in der Gruppe sein würde, denn bekanntlich war der Zusammenhalt der Neonazis stärker als bei anderen, aber er war sicher, wenn es um eine lebenslängliche Haftstrafe ging, hörte wohl bei den meisten die Loyalität auf.
    »Sag mal, hast du was von Haie gehört oder ist er bei dir?« Marlene klang besorgt und er bedauerte, ihr sagen zu müssen, dass er keine Ahnung hatte, wo Haie steckte.
    »Er wollte heute zum Abendessen kommen, aber nun ist es schon nach neun Uhr und gemeldet hat er sich auch nicht.«
    Das war so gar nicht Haies Art. »Auf dem Handy…?« Aber er vermutete, Marlene hatte längst selbst versucht, ihn zu erreichen. »Mailbox.«
    Thamsen befürchtete, der Hobbydetektiv habe sich mal wieder auf eigene Faust auf Ermittlungstour begeben. Haie hatte ihn schon öfters, ebenso wie Tom und Marlene, bei dem einen oder anderen Fall unterstützt. Und Thamsen hatte immer gewusst, dass dies nicht erlaubt war und die Einsätze an der Grenze der Legalität waren, aber eigentlich hatte er nie damit gerechnet, es könne irgendetwas passieren. Er hätte doch die Freunde sonst niemals involviert, auch Haie nicht, den er noch gestern mit zu Sonja Andersen genommen hatte. Er schluckte. Wie konnte er nur so naiv sein? Immerhin hatten sie es hier mit Mördern zu tun, aber Haies ambitionierte Art ließ ihn immer wieder vergessen, dass der kein Polizist war. Er besaß ja nicht einmal eine Waffe.
    Irgendwie fühlte er, dass der Freund in Gefahr war. Und er fühlte sich schuld daran. Das sagte er allerdings nicht zu Marlene.
    »Hat er denn erwähnt, was er heute vorhatte?«
    »Nee, ich denke, er wird einkaufen gewesen sein. Vielleicht hat Helene wieder getratscht. Keine Ahnung, aber da ist natürlich schon lang zu.«
    Egal, dachte Thamsen. »Ich kümmere mich. Bleibt ihr zu Hause. Damit ihr da seid, falls er sich meldet.«
    Er hatte vergessen, dass die beiden mit dem Kind nun ohnehin nicht mehr so mobil waren. Daher auch der Anruf bei ihm, ohne Niklas hätten sie sich sicher selbst schon längst auf die Suche gemacht, denn ähnlich wie Thamsen spürten Marlene und Tom, dass Haie in Gefahr war. Fieberhaft überlegte er daher, wo er nach ihm suchen sollte.
    Rein theoretisch konnte er überall sein. Als Erstes versuchte er es noch einmal auf dem Handy, doch da meldete sich, wie Marlene schon gesagt hatte, nur die Mailbox. »Mist!«, fluchte Dirk.
    Er griff nach dem Telefonbuch und blätterte nach dem Eintrag des SPAR-Marktes. Letztlich war dies der einzige Ansatzpunkt und diese Helene hatte doch unter Garantie auch eine private Nummer.
    »Da«, triumphierte er, obwohl die Nummer allein natürlich überhaupt kein Erfolg war, aber vielleicht hatte er Glück und erreichte die Ladenbesitzerin. Wenn Haie da gewesen war, dann wusste sie bestimmt, wo er hingewollt hatte. Schließlich quetschte die so gut wie jeden aus. Er hatte zwar nur einige wenige Male dort eingekauft, aber das hatte gereicht. Außerdem kannte er die Frau aus den Erzählungen der Freunde.
    »Hallo?«, sagte eine weibliche Stimme am anderen Ende und Thamsen wunderte sich, warum sie sich nicht mit Namen meldete. Eigentlich gehörte Helene der Generation an, die noch gelernt hatte, sich anständig am Telefon zu melden – und zwar mit vollem Namen. Nicht wie die Kids von heute, die sich oft nur mit einem ›Ja‹ oder ›Hallo‹ meldeten. Besonders Coole taten das vermutlich auch – trauten sich wahrscheinlich nur am Telefon, so zu sein, weil sie da keiner sah. Er jedoch empfand dieses ›Ja‹ als Unart und hatte zumindest seinen Kindern eingebläut, sich mit Vor- und Zunamen beim Annehmen eines Telefonats zu melden.
    »Hier ist Dirk Thamsen. Ich bin auf der Suche nach Haie Ketelsen und hörte, er wäre heute bei Ihnen im Laden gewesen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Ja.«
    Thamsen kratzte sich am Kinn. Was war denn mit der Frau los? Die war doch sonst so mitteilsam.
    »Hat er zufällig gesagt, wo er hinwollte?«
    »Nein.«
    Ja. Nein.
    »Geht das auch etwas genauer?«
    »Na ja«, begann Helene nun zu erklären. Und er konnte förmlich vor sich sehen, wie sie sich in ihrem Wissensvorteil sonnte. »Die Arzthelferin aus der Praxis war auch da.«
    »Ja, und?«, signalisierte er ihr seine Aufmerksamkeit.
    »Haie hat seltsame Fragen gestellt. Und er behauptete, der Doktor sei verantwortlich für den Tod eines Babys.«
    Ah, hatte Haie die Spur also doch
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