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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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versuchte, sich ein Stück weiter aufzurichten, und spürte einen Stich im Unterleib. Der Schnitt schmerzte höllisch. Außerdem hatte sie das Gefühl, als würden ihre Brüste gleich explodieren. Sie musste unbedingt den Kleinen stillen, aber der schlief seltsamerweise tief und fest.
    »Atmet er?«
    Tom stand auf und bückte sich vorsichtig über das kleine Bettchen. Es dauerte eine Weile, dann nickte er. »Soll ich ihn wecken?«
    »Ich weiß nicht.«
    Alles war so neu und fremd, Marlene fühlte sich ein wenig hilflos. Niklas’ Geburt schien der Anfang eines völlig unbekannten Lebens zu sein.
    Tom nahm seinen Sohn behutsam aus dem Bettchen und legte ihn Marlene in den Arm. Ein wohliger Schauer rann über seinen Rücken, als er die beiden ansah. Marlene und Niklas. Seine Familie, die wichtigsten Menschen für ihn auf der ganzen Welt. Er seufzte glücklich.
    Ihr trautes Beisammensein wurde jedoch jäh unterbrochen, als sich die Tür öffnete und die Schwester erschien.
    »So, Frau Meissner. Nun bekommen Sie ein wenig Gesellschaft«, kündigte die Schwester im weißen Kittel an. Marlene war keine Privatpatientin und hatte daher auch keinen Anspruch auf ein Einzelzimmer. Tom hatte ihr immer wieder dazu geraten, sich bei ihm mitzuversichern, insbesondere, nachdem sie geheiratet hatten. Er als selbstständiger Unternehmensberater war seit Jahren privat versichert und kannte die Vorteile nur zu gut. Keine Wartezeiten, Chefarztbehandlung, Einzelzimmer. Doch Marlene hatte unabhängig bleiben wollen. Sie war durch ihren Teilzeitjob beim Nordfriisk-Instituut gesetzlich krankenversichert und hatte das auch nicht ändern wollen, nachdem sie schwanger geworden war. Obwohl es dann ja sowieso vorbei gewesen war mit ihrer Unabhängigkeit. Jedenfalls sah Tom es so, und er ärgerte sich gerade in diesem Augenblick, dass Marlene nicht auf ihn gehört hatte. Denn nun wurde ein weiteres Krankenbett in den Raum geschoben, in dem eine blasse junge Frau lag. Unter der Bettdecke zeichnete sich eine kaum wahrnehmbare Wölbung ab.
    »Und wann ist es bei Ihnen so weit?«, erkundigte sich Tom.
    »Oh, Frau Kuipers hat schon entbunden«, stellte die Schwester richtig. »Nur im Gegensatz zu Ihrem Wonneproppen macht uns der Kleine ein wenig Sorgen. Daher päppeln wir ihn auf der Neugeborenenstation auf.«
    Sie sagte das, als sei es das Normalste von der Welt, doch Marlenes Bettnachbarin war die Sorge um das Baby deutlich anzusehen.
    Marlene drückte Niklas ein wenig fester an sich, während sie sich lächelnd an Frau Kuipers wandte. »Na, da hat er es aber gut getroffen. Sonderbehandlung von Schwester Luise. Da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen.«
     
    »Dirk, hier sind die Akten, die du angefordert hast.«
    Gunter Sönksen versuchte vergeblich, einen Platz für den Stapel grauer Pappordner in seiner Hand auf Thamsens Schreibtisch zu finden. »Gib her!«
    Dirk wischte mit seinem Arm die Fotos vor sich zur Seite und platzierte die Mappen direkt vor sich.
    »Ganz schön viele«, kommentierte er den Stapel. »Wusste gar nicht, dass wir so viele Vorfälle hatten in den letzten zwei Jahren. Eigentlich ein Wunder, dass der Verfassungsschutz noch nicht aufmerksam geworden ist.«
    »Meinst du wirklich, die Neonazis haben etwas mit dem Mord zu tun? Das sind doch alles kleine Fische.«
    Scheinbar hielt er den Ermittlungsansatz seines Chefs für falsch, wagte aber nicht, ihm dies zu sagen. Doch Thamsen verstand sehr wohl die Botschaft zwischen den Zeilen.
    »Was meinst du denn, wo wir ansetzen sollten?« Der Mitarbeiter zuckte mit den Schultern.
    »Glaubst du nicht, der Täter hat die Leiche absichtlich dort abgelegt?«
    Mittlerweile wussten sie, dass die KZ-Gedenkstätte nicht der Tatort war. Dr. Becker vermochte bereits bei der ersten kurzen Untersuchung vor Ort zu sagen, dass der Tote erstochen worden war. Wann und womit, hatte er nicht bestimmen können, nur, dass der Fundort auf keinen Fall der Tatort gewesen war.
    »Viel zu wenig Blut hier«, hatte er seine Feststellung begründet. »Der Mann ist quasi abgeschlachtet worden. Über 20 Einstiche. Das muss eine Riesensauerei gewesen sein.«
    Außerdem hatte einer von Thamsens Mitarbeitern den Toten erkannt. Angeblich handelte es sich bei dem Opfer um einen Frauenarzt aus Leck. Die Frau des Polizisten war bei Dr. Merizadi in Behandlung. Natürlich musste die Leiche noch offiziell identifiziert werden, aber Thamsen nahm an, dass dies nur eine Pro-forma-Sache war.
    Nach diesen ersten
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