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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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hindurchbückte. »Spusi kommt auch gleich. Hab’ die Jungs gerade überholt.«
    Er trat neben den Kommissar und schaute auf den Leichnam hinunter. »Und was hast du Schönes für mich?«
    Thamsen fand die Frage angesichts des Toten zwar reichlich unpassend, aber dies war nun einmal Dr. Beckers Art. Er sah jeden Tag Leichen und hatte daher ein ganz anderes Verhältnis zu toten Menschen. Vielleicht wurde man so, wenn man tagein, tagaus Leichen obduzierte und der Tod quasi der Arbeitgeber war. Wahrscheinlich diente es auch als eine Art Selbstschutz, denn wenn man all diese Schicksale zu dicht an sich ranließ, dann ging man daran irgendwann wohl selbst kaputt. Thamsen jedenfalls stellte sich die Arbeit des Gerichtsmediziners nicht einfach vor und vermutete, Dr. Becker wurde wahrscheinlich von den grausigen Bildern oftmals bis in seine Träume verfolgt.
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte Dr. Becker seine Tasche in das feuchte Gras und beugte sich zu dem Toten hinab. Ähnlich wie Thamsen zuvor, fasste er den Mann an der Schulter und drehte ihn leicht zur Seite.
    »Ach du Scheiße!«
    Thamsen nickte lediglich, als der Gerichtsmediziner zu ihm aufschaute. Schlimm genug, dass irgendjemand diesen Mann ausgerechnet an der Gedenkstelle umgebracht hatte, wenn er ihn denn tatsächlich hier getötet hatte. Das konnte man zum jetzigen Zeitpunkt ja noch nicht sagen. Aber zumindest hatte der Täter die Leiche an dieser Stelle abgelegt. Hier, an der KZ-Gedenkstelle. Und zwar nicht irgendeine Leiche, sondern einen südländisch aussehenden Mann, der, zumindest seinem Äußeren nach zu urteilen, Ausländer war.
     
    Etwas später als üblich erreichte Haie die kleine Grundschule, die seit dem Wiederaufbau nach einem Brand vor gut drei Jahren quasi wie neu wirkte und an der er seit etlichen Jahren als Hausmeister tätig war. Sein Einkauf hatte durch die Neuigkeiten von dem Toten in Ladelund länger gedauert, als er gerechnet hatte. Die ersten Kinder spielten schon auf dem Schulhof und der Wagen des Direktors stand auch bereits auf dem Parkplatz.
    Haie schloss sein neongelbes Mountainbike an den Fahrradständer hinter der Schule an und ging durch den kleinen Verbindungsgang hinüber in die Turnhalle. Zum Glück hatte er den Boden gestern Nachmittag bereits aufgewischt, sodass er nun vor Unterrichtsbeginn lediglich das Licht und die Heizung anstellen musste. Anschließend ging er die Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem er sich einen kleinen Raum eingerichtet hatte. Er packte sein Frühstück aus und wechselte die Kleidung. All dies geschah ganz automatisch, denn in Gedanken war Haie mit dem Leichenfund in Ladelund beschäftigt. Wer war der Tote? Hatte man ihn ermordet? Leitete Dirk die Ermittlungen?
     
    Er kannte den Kommissar seit etlichen Jahren. Dirk Thamsen hatte damals in dem Mordfall von Marlenes bester Freundin Heike ermittelt. Seitdem hatten die drei ihn hin und wieder bei seiner Arbeit unterstützt und dadurch war mittlerweile zwischen ihnen eine Freundschaft entstanden. Beinahe so eng wie zwischen Tom, Haie und Marlene, die sich zwar schon länger, aber auch noch nicht ewig kannten. Der Intensität ihrer Freundschaft tat das jedoch keinen Abbruch und auch die Beziehung der drei Freunde zu dem Kommissar konnte man als eng bezeichnen. Ob er ihn einfach mal anrief und sich nach dem Toten erkundigte? Haie blickte auf seine Uhr. Dirk war sicherlich noch in Ladelund. Ein Leichenfund bedeutete immer eine Menge Arbeit für ihn. Wenngleich er natürlich nicht alles selbst machte. Schließlich hatte er als Dienststellenleiter auch noch andere Aufgaben und für Zeugenbefragungen und Tatortsicherung seine Mitarbeiter. Aber Haie kannte den Freund. Er wollte immer sichergehen, dass nichts übersehen wurde, und konnte oftmals nur schwer delegieren.
    Er beschloss, erst einmal den Schulhof zu fegen und gegen Mittag in der Dienststelle anzurufen.
     
    »Hast du Haie schon erreicht?«
    »Nein, nur deine Mutter«, antwortete Tom, der, mit einem Kaffeebecher in der Hand, das Krankenzimmer betrat. Erschöpft ließ er sich auf den Stuhl neben Marlenes Bett plumpsen und nahm einen großen Schluck.
    »Sie will doch nicht etwa gleich vorbeikommen, oder?« Marlene kannte ihre Mutter. In den letzten Tagen hatte sie beinahe stündlich angerufen und sich nach Marlenes Zustand erkundigt. Gesine Liebig war wahnsinnig aufgeregt und hatte die Geburt ihres Enkels kaum erwarten können.
    »Ich konnte sie gerade noch davon abhalten.«
    Marlene
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