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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder
Autoren: Sandra Duenschede
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sich schon melden. Schließlich sollte er der Patenonkel werden und würde daher sicherlich als einer der Ersten von der Geburt erfahren.
    Er ging hinüber in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Röchelnd und gurgelnd setzte sich das Gerät in Gang. Wasser und Kaffeepulver hatte er wie immer bereits am Vorabend eingefüllt.
    Im Radio liefen gerade die Verkehrshinweise, die Nachrichten hatte er nur knapp verpasst. Aber für Haie gab es momentan sowieso nichts Interessanteres als den Nachwuchs seiner Freunde. Er freute sich beinahe genauso, als wenn er selbst Vater werden würde.
    Ihm und seiner Exfrau Elke war dieses Glück leider verwehrt geblieben. Wie sehr hatte er sich damals ein Kind gewünscht, doch irgendwie hatte es nicht klappen wollen. Heute glaubte er, es habe seinen Grund gehabt, dass sie kinderlos geblieben waren. Und vielleicht war es sogar besser so. Die Kaffeemaschine pfiff aus dem letzten Loch. Ein abschließendes Gurgeln und der Kaffee war fertig. Er nahm sich eine Tasse, den Rest goss er in eine Thermoskanne für sein zweites Frühstück auf der Arbeit. Dann schmierte er sich ein Brot und belegte sich zwei weitere Schnitten zum Mitnehmen. Früher hatte Elke das immer für ihn gemacht. Aber das war lang her. Seit ihrer Trennung lebte er allein und versorgte sich selbst. Was ihm mehr oder weniger gut gelang.
    Er griff nach einer bunten Blechdose und öffnete sie. Mit leichtem Entsetzen stellte er fest, dass er keinen Würfelzucker für seinen Kaffee mehr hatte. Aber das ließ sich leicht beheben. Er würde vor der Arbeit einfach kurz beim SPAR-Markt anhalten und welchen kaufen. Das war zwar ein kleiner Umweg, aber da Haie immer zeitig auf den Beinen war, konnte er diesen locker in Kauf nehmen.
     
    Der kleine Supermarkt lag direkt an der Dorfstraße und war um diese Tageszeit stark frequentiert. Viele Berufstätige besorgten wie Haie auf dem Weg zur Arbeit schnell noch ein paar Kleinigkeiten oder ihr Frühstück. Zusätzlich verstopften zahlreiche Schüler die Gänge, insbesondere die direkt vor der Kasse, wo sich die Süßigkeiten befanden. Haie zwängte sich durch zwei riesige Tornister hindurch und griff nach einer Packung Würfelzucker.
    »Moin, Haie«, wurde er von einem älteren Herrn mit Pudelmütze begrüßt. »Bannig kolt worn, was?«
    Haie nickte dem Mann zu. Er kannte Oke Hansen seit seiner Schulzeit. Wie er selbst, war der Kfz-Meister aus dem Dorf nie weggekommen. Was allerdings keinen der beiden störte. Schließlich waren sie nicht die Einzigen, die ihr gesamtes Leben in Risum-Lindholm verbracht hatten. Eine Reihe Leute lebte hier seit ihrer Geburt. Und warum auch nicht? Dieser kleine Ort in Nordfriesland war immerhin einer der schönsten Plätze der Welt. Das bestätigten nicht nur die zahlreichen Touristen, die jährlich zu Besuch kamen. »Ja, is de Ostwind«, begründete Haie die Kälte, während sie zusammen zur Kasse gingen und sich an eine lange Schlange anstellten.
    »Mann, hier is doch sonst nicht so viel los«, kommentierte Oke Hansen die Warteschlange und streckte seinen Kopf in die Höhe, um besser sehen zu können, was die Kassiererin aufhielt. Das konnte Haie allerdings sagen, ohne sich dafür den Hals zu verrenken.
    »Helene klatscht bestimmt wieder, oder?«, fragte er den alten Schulfreund, als dieser kopfschüttelnd wieder eine normale Körperhaltung neben ihm einnahm.
    »Na klor.«
    Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich an der Reihe waren. Scheinbar gab es so sensationelle Neuigkeiten im Dorf, und die Kaufmannsfrau sah es natürlich als ihre Pflicht an, jeden darüber zu informieren.
    »Hett jem all hört?«, fragte sie die beiden, während sie den Preis von Haies Würfelzucker in die Kasse eintippte.
    »Watt?«, hakte Oke Hansen ein. Wahrscheinlich hatte er die Hoffnung, Helene würde dadurch schneller zum Punkt kommen. Doch seine deutlich zum Ausdruck gebrachte Unwissenheit ließ die Frau hinter der Kasse geradezu triumphieren. Und dieses Gefühl wollte sie selbstverständlich auskosten.
    »Nicht?«
    »Watt, nich?« Oke Hansen verstand nicht.
    »Na, jem hett noch nicht das Neueste hört?«
    »Anscheinend nicht«, schaltete sich nun Haie ein, dem dieses Wortpingpong auf die Nerven ging.
    Die Kaufmannsfrau kniff ihre Augen zu engen Schlitzen zusammen und warf ihre Stirn in Falten. Fast machte es den Anschein, als überlegte sie, ob die beiden würdig waren, ihre exklusiven Nachrichten zu hören, aber Haie wusste nur zu gut, sie würde mit den
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