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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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sehen, wie leicht dir davon wird.«
    Plötzlich – mir nichts, dir nichts wie ein Pokerspieler, der den Einsatz überbietet, ohne etwas in der Hand zu haben – fragte ich: »Wo kommst du eigentlich her – aus der vierten Abteilung?«
    »Nein, aus der ers…«
    Er stockte, dann setzte er hinzu: »Was weißt du über mich?«
    »Genug davon«, sagte ich und setzte mich so auf einen Stuhl, daß ich die Lehne vor mir hatte. »Du glaubst doch wohl nicht, daß du ohne Gegenleistung etwas von mir erfährst.«
    »Was soll ich dir sagen?«
    »Wir können mit Shapiro anfangen«, sagte ich verträglich. »Er ist von der L. A. Das steht fest.«
    »Aber er ist nicht nur Neurologe?«
    »Nein. Er hat noch ein zweites Spezialgebiet.«
    »Sprich weiter.«
    »Was weißt du von der Nekrosphäre?«
    »Was weißt du davon?«
    Die Angelegenheit begann undurchsichtig zu werden. Vielleicht hatte ich überzogen. Wenn er nur Agent eines Sicherheitsdienstes war, ganz egal, woher, konnte er nicht allzuviel wissen. Hochdotierte Fachleute schickt man nicht auf solche Trips. Da der Fall aber ungewöhnlich war, konnte ich mich irren.
    »Schluß mit dem Blindekuhspiel«, sagte Gramer. Er war desperat, sein weißes Jackett unter den Achseln völlig durchgeschwitzt.
    »Setz dich mal lieber neben mich«, knurrte er und ließ sich auf den Teppich nieder.
    Ich folgte seiner Aufforderung. Umringt von Strippen und Geräten, saßen wir voreinander, als wollten wir die Friedenspfeife rauchen.

XI. Da Capo
    Ehe er noch den Mund aufgemacht hatte, näherte sich draußen das Dröhnen eines Triebwerks, und ein großer Schatten zog über das Parkgelände. Das Donnern schwächte sich ab und kam zurück. Direkt über den Baumkronen schwebte ein Hubschrauber und zerschnitt mit seinen Rotorblättern die Luft. Es knallte zweimal, als habe jemand die Korken gigantischer Sektflaschen springen lassen. Die Maschine kam so tief herunter, daß ich die Männer in der Kabine sehen konnte. Einer öffnete die Tür und feuerte noch einmal aus dem nach unten gerichteten Signalwerfer. Gramer riß es auf die Füße, ich hätte nie geglaubt, daß er so schnell sein konnte. Den Kopf im Nacken, rannte er hinaus.
    Aus dem Hubschrauber fiel etwas Glänzendes und verschwand im Gras, die Maschine stieg mit aufheulendem Triebwerk in die Höhe und flog davon. Gramer war in die Knie gegangen und durchwühlte das hohe Gras, bis er einen etwa fußballgroßen Behälter fand. Er öffnete ihn und zog einen Umschlag hervor, den er, immer noch gebückt und auf den Knien, sofort aufriß. Die Nachricht, die darin enthalten war, konnte nicht belanglos sein, denn Gramer fingen die Hände an zu flattern. Er wandte den Blick zu mir herüber, sein Gesicht war bleich und verändert. Noch einmal nahm er sich, bevor er aufstand, den Briefbogen vor, dann zerknüllte er ihn und steckte ihn in die Brusttasche. Ohne Eile und ohne sich die Mühe zu machen, den Parkweg zu benutzen, kam er quer über den Rasen zu mir zurück. Er trat ein und versetzte dem größten der Antiabhörgeräte wortlos einen Fußtritt, daß es darin knackte und den Ritzen des metallenen Kastens der bläuliche Qualm eines Kurzschlusses entquoll. Ich blieb auf dem Fußboden sitzen, während Gramer seine unbezahlbaren Apparate zertrampelte und die Kabel zerriß, als wäre er wirklich verrückt geworden. Schließlich zog er sein Jackett aus, hängte es über meinen Stuhl und ließ sich atemlos in einen Sessel fallen. Dann sah er mich an, als bemerke er mich erst jetzt, und stöhnte laut auf.
    »Das ist nur so, aus lauter Ärger«, erklärte er nicht recht plausibel. »Ich gehe wahrscheinlich in Rente. Auch deine Karriere ist zu Ende. Den Mond kannst du vergessen und Shapiro eine Ansichtskarte schreiben, eventuell an die Adresse der Agentur. Die wird aus reinem Beharrungsvermögen noch eine Weile ihre Amtsgeschäfte führen.«
    Ich sagte nichts, weil ich nicht auf einen neuen Dreh hereinfallen wollte. Gramer zog ein kariertes Tuch aus der Tasche, trocknete sich die schweißnasse Stirn und sah mich voller Wehmut und Mitgefühl an.
    »Vor zwei Stunden hat es angefangen und zieht seine Kreise wie der Satan, überall gleichzeitig. Kannst du dir das vorstellen? Wir sind restlos pazifiziert, hier und drüben, überm Ozean, von Pol zu Pol, hin und zurück! Ein Globalverlust von etwa 900 Billionen! Den Kosmos mitgerechnet, denn als erste sind die Satelliten ausgefallen. Was glotzt du denn so?« fuhr er mich ärgerlich an. »Kannst du es dir nicht
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