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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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Gesicht ohne jede Absicht jene dümmliche Miene gewann, die er als in seinen Träumen unersättlicher Millionär aufzusetzen pflegte.
    »Ich sehe, du hast davon gehört. Von der Selenosphäre sicherlich auch? Was? Oder hast du nicht die Dienststellung, daß du in solche Dinge eingeweiht wirst? Weißt du vielleicht etwas vom kläglichen Schicksal der sogenannten kollaptischen Waffe, von den letzten Erkundungen und den Wolken überm Mare Ignium? Nein, das wird man dir bestimmt nicht gesagt haben …«
    Er saß da, starrte mich mit runden Fischaugen an und schnaufte.
    »Sei so freundlich, Adelaide, und gib mir die Bonbonniere vom Schreibtisch«, forderte ich ihn lächelnd auf. »Ich esse vor dem Frühstück gern was Süßes.«
    Da er sich nicht rührte, stieg ich selbst aus dem Bett, um die Pralinen zu holen. Unter meine Schlafdecke zurückgekehrt, bot ich ihm die Schachtel, hielt aber den Daumen so, daß die bewußte Ecke zugedeckt war.
    »Bitte!«
    »Woher weißt du das?« fragte er endlich heiser. »Wer … du hast doch …«
    »Du regst dich unnötig auf«, sagte ich etwas undeutlich, weil mir das Marzipan am Gaumen klebte. »Ich weiß, was ich weiß. Und das nicht nur über meine Abenteuer auf dem Mond, sondern auch über die Mißlichkeiten meiner Kollegen.«
    Wieder verschlug es ihm die Sprache. Er sah sich im Zimmer uni, als wäre er zum ersten Male hier.
    »Funkgeräte, Relais, geheime Leitungen, Antennen und Modulatoren, nicht wahr?« fragte ich. »Nichts davon gibt es hier, nur im Bad tropft es ein wenig aus der Dusche, offenbar ist die Dichtung kaputt. Was wunderst du dich? Weißt du wirklich nicht, daß sie sich in mir befinden?«
    Er war wie vor den Kopf geschlagen, wischte sich schweigend den Schweiß von der Nase und griff sich ans Ohrläppchen. Diese Symptome der Verzweiflung bereiteten mir aufrichtiges Mitgefühl.
    »Vielleicht singen wir zweistimmig ein Liedchen?« schlug ich vor. Die Pralinen waren köstlich, ich mußte aufpassen, daß nicht zu wenige übrigblieben. Ich leckte mir die Lippen und sah Gramer an.
    »Nun beweg dich mal und sag was, du machst mich ganz traurig. Du hattest Angst um mich, und nun mache ich mir Sorgen um dich. Denkst du, daß du Schwierigkeiten bekommen könntest? Wenn du dich anständig benimmst, kann ich ein Wort für dich einlegen. Du weißt ja, wo .«
    Ich bluffte, aber warum sollte ich das nicht tun? Allein die Tatsache, daß er mit so wenigen Worten total aus der Fassung gebracht werden konnte, zeugte von der Ratlosigkeit seiner Auftraggeber, wer immer sie waren.
    »Ich verspreche dir, daß ich weder Namen noch Institutionen nennen werde, denn ich will dir nicht noch zusätzlich Ärger machen.«
    »Tichy«, ächzte er schließlich. »Um Gottes willen! Nein, das kann nicht sein. Sie wirken überhaupt nicht so.«
    »Habe ich denn gesagt, wie sie wirken? Ich hatte einen Traum, außerdem bin ich der Natur nach ein Hellseher.«
    Gramer faßte plötzlich einen Entschluß. Er legte einen Finger vor den Mund und verließ das Zimmer. Von seiner Rückkehr überzeugt, versteckte ich die Bonbonniere unter den Hemden im Wäscheschrank, und ich schaffte es sogar, mich zu duschen und zu rasieren, ehe er wieder sachte klopfte. Er hatte den Morgenmantel mit seinem weißen Anzug vertauscht, in der Hand trug er, in ein Badetuch gewickelt, ein ziemlich großes Bündel. Er zog die Vorhänge vors Fenster und packte kleine Geräte aus, deren schwarze Buchsen er auf die Wände richtete. Ein kleines, aus einem schwarzen Kasten hängendes Kabel schloß er an einen Schalter an und hantierte noch ein Weilchen daran herum, tüchtig schnaufend, denn er war wirklich fett, der Bauch völlig echt. An die sechzig dürfte Gramer gewesen sein, er hatte abstehende Ohren mit riesigen Muscheln, auf den Knien quälte er sich mit seiner Elektronik herum, und als er sich endlich aufrichtete, war sein Gesicht tief gerötet.
    »So«, sagte er, »wennschon, dennschon. Reden wir.«
    »Worüber denn?« wunderte ich mich, während ich mir mein schönstes Hemd mit seinem unerhört praktischen, weil dunkelblauen Kragen überstreifte. »Du bist es, der zu reden hat, denn dir brennt es ja auf den Nägeln. Erzähle mir von dieser Angst, in die dich die Sorge um mein Schicksal versetzt hat. Erzähle mir von dem Burschen, der dir versichert hat, ich säße hier besser unter Verschluß als eine Fliege in einer verkorkten Flasche. Rede übrigens, was du willst, schütte mir dein Herz aus, tu dir keinen Zwang an. Du wirst
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