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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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einer Zweiteilung sämtlicher Waffen gekommen war, die dort entstanden, solange die Programme noch einigermaßen nach ihren Vorgaben arbeiten konnten.«
    »Ich errate etwas. Eine Trennung in Waffen, die gegen das Leben, und solche, die gegen unbelebte Gegner gerichtet sind.«
    »Die Maus ist schlau. So muß es gewesen sein. Allerdings dürfte von den ersten Nekrozyten, die sicherlich vor vielen Jahren entstanden sind, nichts mehr übrig sein. Aus den Nekrozyten entstanden die Selenozyten. Anders ausgedrückt, sie begannen sich zu vereinigen, um zu überleben und Vielseitigkeit zu gewinnen, etwa wie gewöhnliche Krankheitserreger, die unter der Wirkung von Antibiotika ihre Virulenz dadurch verstärken, daß sie gegen Antibiotika immun werden.«
    »Was hat auf dem Mond die Rolle der Antibiotika gespielt?«
    »Darüber könnte man lange reden. Vor allem waren für die Selenozyten natürlich alle Produkte der militärischen Autoevolution gefährlich, die die Aufgabe hatten, jegliche ›Kraft des Feindes‹ zu vernichten.«
    »Ich verstehe nicht recht.«
    »Na was denn, in der Agonie liegt das Mondprojekt erst heute , aber jahrelang zuvor gab es dort eine Spezialisierung und Progression der Waffen, die erst simuliert und dann produziert wurden. Einige von ihnen gingen auf die Selenozyten los.«
    »Aha, sie betrachteten sie als Feind, den es zu vernichten galt.«
    »Jawohl. Es war ein vorzügliches Doping, das Pendant der Geschütze, mit denen die Pharmaindustrie auf die Bakterien feuert. Das führte die Akzeleration der Entwicklung herbei. Die Selenozyten behielten die Oberhand, weil sie sich als funktionstüchtiger erwiesen. Der Mensch kann einen Schnupfen, der Schnupfen aber nie einen Menschen haben. Das ist ganz klar, nicht wahr? Die großen komplizierten Systeme spielten dort die Rolle des Menschen.«
    »Und dann?«
    »Dann gab es eine sehr interessante und gänzlich unerwartete Wende. Die Immunität wurde von einer passiven zu einer aktiven.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Es war der Übergang von der Verteidigung zum Angriff. Die Selenozyten beschleunigten – dazu noch gewaltsam – den Ruin des Rüstungswettlaufs auf dem Mond.«
    »Dieser Staub?«
    »Jawohl, dieser Staub. Und als die Reste des großartigen Genfer Entwurfs schon in den letzten Zügen lagen, erhielten die Selenozyten unerwartet Verstärkung.«
    »Nämlich?«
    »Durch den Dispersanten. Sie bemächtigten sich seiner. Sie zerstörten ihn nicht, sondern schluckten ihn, trieben mit ihm einen logisch-elektronischen Informationsaustausch. Es kam zur Bastardisierung, zu einer Kreuzung.«
    »Wie konnte das passieren?«
    »Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, denn auch ich bin von Silikonpolymeren mit Halbleitermerkmalen ausgegangen, anderen natürlich, aber die Adaptivität meiner Teilchen und der des Mondes war in etwa gleich. Verwandtschaft, fern, aber immerhin. Letztlich erzielt man, wenn man vom gleichen Baustoff ausgeht, stets Resultate, die einander gleichen.«
    »Und nun?«
    »Da bin ich noch nicht restlos dahintergekommen. Der Schlüssel könnte deine Landung sein. Warum bist du im Mare Ignii gelandet?«
    »Im japanischen Sektor? Weiß ich nicht. Ich erinnere mich nicht.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Und deine rechte Hälfte?«
    »Auch nicht. Ich kann mich schon ganz gut mit ihr verständigen. Aber behalten Sie das bitte für sich.«
    »Ich behalte es für mich. Sicherheitshalber unterlasse ich die Frage, wie du das machst. Was weiß sie?«
    »Daß ich, als ich an Bord zurückkehrte, die Tasche voll von diesem Staub hatte. Wie er hineingekommen ist, weiß sie aber nicht.«
    »Du kannst ihn an Ort und Stelle selber eingesackt haben. Die Frage ist nur, warum.«
    »Nach dem zu schließen, was ich soeben erfahren habe, muß ich es selber getan haben. Von allein werden mir diese Selenozyten ja nicht in die Tasche gekrochen sein. Ich kann mich aber an nichts erinnern. Was weiß die Agentur?«
    »Der Staub hat Aufregung und Panik ausgelöst, zumal dadurch, daß er deiner Spur gefolgt ist. Weißt du das?«
    »Ja, Professor S. hat es mir gesagt. Vor einer Woche war er hier.«
    »Damit du dich untersuchen läßt? Hast du abgelehnt?«
    »Nicht direkt. Ich spiele auf Zeit. Hier ist jedenfalls noch jemand, der mir abgeraten hat. Ich weiß nicht, in wessen Namen. Er spielt hier einen Patienten.«
    »Davon hast du noch mehr um dich.«
    »Was heißt das, daß der Staub ›meiner Spur gefolgt‹ ist? Hat er mir nachspioniert?«
    »Nicht
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