Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
wiederkommen, sagte ich mir. Es kam mir gar nicht in den Sinn, daß ich wiederkommen könnte, ohne daß ich wiederkomme – weil wir wiederkommen würden. Um das zu erklären, muß ich ein paar Sachen höchster Geheimhaltungsstufe aus dem Sack lassen, aber das ist mir jetzt egal. Das heißt, es ist mir teilweise egal. Ich kann alles das nämlich auch nur teilweise schreiben, und das fällt mir sehr schwer: Ich haue mit der rechten Hand auf die Tasten. Die linke habe ich an der Sessellehne festbinden müssen, sie war dagegen. Sie riß mir das Papier aus der Maschine, ließ sich durch keinerlei Argument beschwichtigen und schlug mir, bevor ich sie fesseln konnte, ein Auge blau.
    Das sind die Folgen einer Zweiteilung. Jedermann hat im Schädel zwei Gehirnhalbkugeln, verbunden durch eine Art Spachtelmasse, die sich lateinisch Corpus callosum und deutsch Balken nennt. Zweihundert Millionen weiße Nervenfasern schaffen den Kontakt, damit das Gehirn Gedanken fassen kann. Nur bei mir nicht mehr: Zack! Aus und vorbei! Dabei war das nicht mal ein brutaler Schnitt, es lag einfach an dem Testgelände, auf dem die Mondroboter eine neue Waffe erprobten. Hingeführt hatte mich der reine Zufall: Mein Auftrag war erfüllt, ich hatte diese kalten Geschöpfe überlistet und wollte wieder in den LEM steigen. Da mußte ich auf einmal pinkeln gehen.
    Auf dem Mond gibt es keine Aborte. Sie würden dort auch nichts nützen. Deshalb trägt man im Raumanzug einen Behälter, wie ihn auch Armstrong und Aldrin hatten. Man kann also eigentlich allenorts und jederzeit, aber ich hatte dennoch Hemmungen, ich bin – oder war – zu kultiviert. Im vollen Sonnenschein mitten im Mare Serenitatis – das lag mir einfach nicht. Den einzigen Schatten weit und breit warf, einige Schritte entfernt, ein Felsblock. Ich begab mich dorthin, ohne zu ahnen, daß ich damit bereits in ein Ultraschallfeld geriet. Während ich mich erleichterte, spürte ich im Kopf einen Klick, als wäre mir etwas nicht auf die gebräuchliche Weise ins Genick, sondern ein bißchen höher appliziert worden: mitten in den Schädel. Das war die fernausgelöste integrale Kallotomie. Weh tat mir nichts, mir wurde etwas schwummerig, aber das verging sofort wieder, und ich bestieg meinen LEM. Irgendwie kam mir zwar alles ein bißchen anders vor, ich mir selber auch, aber das schrieb ich damals der Aufregung zu, die nach so vielen Abenteuern ja ganz verständlich war.
    Die rechte Hand wird von der linken Gehirnhalbkugel gelenkt. Deswegen habe ich oben vermerkt, daß das alles hier nur teilweise ich schreibe. Die rechte Halbkugel hat etwas dagegen, sonst würde sie nicht stören. Es ist ein Wurstteig ohnegleichen. Ich kann mich selber nicht Ich nennen, weil das nur die linke Halbkugel ist. Gegen die andere muß ich kompromißbereit sein, sonst sitze ich bis in alle Ewigkeit mit einem festgebundenen Arm da. Ich habe auf verschiedenste Weise versucht, sie gnädig zu stimmen – vergebens. Sie ist einfach unmöglich: aggressiv, ordinär und arrogant. Ein Glück nur, daß sie nicht alles lesen kann und von den Satzteilen nur manche kennt, am besten die Dingwörter. Ich weiß, daß das immer so ist, denn ich habe die entsprechenden Bücher gelesen. Verben oder Attribute versteht sie nicht richtig, und da sie verfolgt, was ich hier in die Maschine tippe, muß ich meine Worte so wählen, daß sie keinen Anstoß nimmt. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt. Weshalb die gesamte gute Erziehung in der linken Halbkugel untergebracht ist, weiß übrigens auch niemand.
    Auf dem Mond hatte ich ebenfalls teilweise landen sollen, allerdings in einem ganz anderen Sinn. Das war ja noch vor dem Unfall, ich war noch nicht zweigeteilt. Ich sollte auf eine stationäre Umlaufbahn um den Mond gehen, die eigentliche Erkundung blieb meinem Sendling überlassen. Er war zwar aus Plastik und mit Sensoren ausgerüstet, mir sonst aber ganz ähnlich. Ich steckte also im LEM 1, während LEM 2 mit dem Sendling gelandet war. Militärische Roboter sind gegen Menschen schrecklich verbissen: in jedem wittern sie gleich einen Feind. So war mir jedenfalls gesagt worden. Nun versagte LEM 2 aber leider, und ich entschloß mich zu einer persönlichen Landung, um zu sehen, was mit ihm los war. Der Kontakt war nämlich nicht völlig unterbrochen. Ich steckte in LEM 1 und spürte zwar nicht mehr LEM 2, aber immerhin Schmerzen im Bauch, der mir eigentlich nicht direkt, sondern über Funk weh tat, denn wie sich nach meiner Landung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher