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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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verschiedener Rappaports zu lesen. Da ich jedesmal mit der U-Bahn oder dem Autobus fuhr, kam es unterwegs immer wieder zu drastischen Szenen, weil ich alle hübscheren Frauen, vornehmlich Blondinen, in den Hintern kniff. Das tat natürlich meine linke Hand, nicht einmal immer im Gedränge. Suchen Sie sowas mal mit wenigen Worten zu rechtfertigen! Daß ich das eine oder andere Mal eine Maulschelle einfing, war dabei weniger schlimm, als daß die meisten überhaupt nicht übelnahmen, daß sie auf diese Weise angemacht wurden. Sie hielten es für die Einleitung zu einem kleinen Flirt, und das war wirklich das letzte, was ich damals im Kopfe hatte. Ohrfeigen bezog ich, soweit ich es beurteilen konnte, von Vertreterinnen der Women’s Liberation , sehr selten übrigens, weil hübsche Frauen unter ihnen so gut wie gar nicht vorkommen.
    Schließlich sah ich ein, daß ich der bedrückenden Lage allein nicht entkommen konnte, und nahm Kontakt zu führenden Autoritäten auf. Die Wissenschaftler nahmen sich meiner an, ich wurde untersucht, durchleuchtet, stachistoskopiert, mit Elektroschocks behandelt, mit vierhundert Elektroden umwickelt, an einen Spezialsessel gebunden und veranlaßt, mir durch einen Diopter stundenlang Äpfel, Hunde, Gabeln, Kämme, alte Männer, Tische, Mäuse, Pilze, Zigarren, Gläser, nackte Frauen, Säuglinge und einige tausend andere auf eine Leinwand projizierte Dinge anzusehen. Anschließend sagte man mir, was ich schon vorher gewußt hatte: Würde mir in diesem Apparat eine Billardkugel gezeigt, wie nur meine linke Hemisphäre sie sieht, so wäre meine rechte Hand nicht imstande, die Kugel aus einem Sack unter verschiedenen Gegenständen zu ertasten. Umgekehrt verhalte es sich ebenso, denn die Linke wisse nicht, was die Rechte tue. Man betrachtete mich daraufhin als einen banalen Fall, und das Interesse an mir ließ nach. Ich ließ aber auch kein Sterbenswörtchen verlauten, daß ich meiner stummen Hälfte die Taubstummensprache beibrachte. Schließlich ging es darum, über mich etwas in Erfahrung zu bringen, nicht aber zur Weiterbildung von Wissenschaftlern beizutragen.
    Dann ging ich zu Professor S. Turteltaub, der mit all den anderen auf Kriegsfuß stand. Statt mich aber über meinen Zustand aufzuklären, enthüllte er, was das für eine Sippschaft und Saubande sei. Anfangs hörte ich auch gespannt zu, weil ich annahm, er mißachte sie aus Motiven der Theorie und der Erkenntnis, aber Turteltaub ging es allein darum, daß sie sein Projekt zu Fall gebracht hatten. Als ich das letzte Mal bei den Herren Globus und Savodnicek oder auch anderen Spezialisten (es waren so viele, daß ich sie ein bißchen durcheinanderbringe) gewesen war und gesagt hatte, ich werde zu Turteltaub gehen, waren sie erst beleidigt und erklärten dann, man habe ihn aus ethischen Gründen aus der Gemeinschaft der Wissenschaftler ausgeschlossen. Turteltaub wollte nämlich, daß zu lebenslanger Haft oder zum Tode verurteilten Mördern die Strafe erlassen wurde, wenn sie sich der Kallotomie unterzogen. Wenn dieser Eingriff auf ärztliche Anweisung ausschließlich an Epileptikern vorgenommen werde, so wisse man nicht, ob die Durchtrennung des Balkens bei normalen Menschen die gleichen Folgen hat, und jedermann, er eingeschlossen, falls er beispielsweise seine Schwiegermutter massakriert hätte, würde den Schnitt durch den Corpus callosum jedem Tod auf dem elektrischen Stuhl vorziehen. Der emeritierte Bundesrichter Klössenfänger gab dazu ein Gutachten ab, wonach man sich, von ethischen Rücksichten sogar einmal ganz abgesehen, auf so was lieber nicht einlassen sollte, denn es käme zu einem schrecklichen Präzedenzfall, wenn sich erwiese, daß bei dem Anschlag auf die Schwiegermutter nur Turteltaubs linke Halbkugel mit eiskaltem Vorsatz handelte, während die rechte nichts gewußt oder gar Einspruch erhoben habe, dann aber der dominierenden Hemisphäre erliegen mußte, worauf nach innerem Gehirn- und Geisteskampf der Mord begangen worden sei. Das Gericht müsse also die eine Halbkugel einbuchten, die andere aber von jeder Schuld freisprechen. Ein Mörder würde infolgedessen nur zu 50 Prozent zum Tode verurteilt.
    Da Turteltaub seine Träume nicht verwirklichen konnte, operierte er notgedrungen Affen, die im Gegensatz zu Mördern viel kostspieliger sind. Die Subventionen wurden ihm ohnehin immer mehr gekürzt, er klagte, am Ende werde er noch auf Ratten und Meerschweinchen kommen, und das sei doch nicht dasselbe. Gleichzeitig
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