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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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fuhr er in mildem Ton fort. »Ich bin Staatsbeamter mit Sondergehalt, alles im Rahmen höherer Gründe. Der ›Spion‹ paßt auf mich wie die Faust auf eine Nase. Übrigens spielt das ohnehin keine Rolle mehr. Aus diesen Wurmprogrammen jedenfalls entstand die Theorie der Informationserosion. Hast du davon gehört?«
    »Nur ungefähr.«
    »Na also. Nachher zeigte sich, daß es nicht die Erfindung eines Professor of Computer Science , sondern von Bakterien gewesen war, und das schon vor zirka vier Milliarden Jahren. Plus/minus zweihundert Jahrmillionen sind einen Streit dabei nicht wert. Ja, schon diese ältesten Zellen, diese ersten, deren jede bereits ihr Programm besaß, fraßen sich gegenseitig an und auf, weil noch niemand da war, der von Herpes oder von Krebs befallen werden konnte. Den großen Experten sind solche Analogien natürlich nicht aufgefallen, weil ihre Köpfe durch kolossales Wissen verstopft waren. So kam es nur einige Male zu solchen Versuchen: im Rahmen eines verstohlenen Konkurrenzkampfes großer Konsortien, um die Computer der anderen stillzulegen. Damals sind diese battle programms entstanden, du wirst davon gelesen haben.«
    »Das ist aber doch lange her …«
    »Vierzig oder fünfzig Jahre. Eben darum ist jetzt alles in Staub zerfallen. Außer dem Knüppel, dem Küchenmesser und dem Revolver gibt es doch keine Waffe, die nicht vom Computer abhängig wäre! Überall steckten Programme und Mikroprozessoren, und dadurch ist es passiert. Hast du vielleicht mal versucht, irgendwo anzurufen?«
    »Heute noch nicht. Warum?«
    »Die automatischen Zentralen sind ebenfalls außer Betrieb. Mann, diese Viren sind überall auf einmal eingedrungen! Hast du Radio gehört?«
    »Nein. Ich habe ja auch gar keins.«
    »Sie verfügen über keinen Intellekt. Das war von Anfang an klar. An Verstand haben sie soviel wie der erste beste Virus. An Virulenz und Erosionsfähigkeit aber – das Maximum! Ich weiß auch nicht!« sandte er einen Klageruf gegen die Wand, an der goldgelb die Blumen einer Van-Gogh-Reproduktion prangten. »Was soll ich mich denn jetzt noch mit dir abgeben? Ich werde spazierengehen oder mich aufhängen. Mit diesen Strippen!« Er gab erneut einem seiner Apparate einen Tritt.
    »Was von vorn wie ein verwickeltes Geheimnis aussieht, ist von hinten gewöhnlich simpel wie ein Stück Draht«, sagte er. »Haben wir die besten waffenerzeugenden Programme auf den Mond geschickt? Jawohl. Haben sie sich jahrelang vervollkommnen können? Und wie! Sind sie mit Volldampf aufeinander losgegangen? Natürlich, anders hatte es gar nicht sein können. Wer hat gesiegt? Wie immer derjenige, der im geringsten Rauminhalt die größte Virulenz unterbringt. Die Parasiten haben gesiegt, die molekularen Winzlinge! Ich weiß nicht mal, ob sie schon getauft sind. Ich würde als Namen vorschlagen: ›Virus Lunaris Pacemfaciens‹. Neugierig bin ich nur noch, zu erfahren, was dich wie auf den Mond gelockt hat, damit du diese wohltätige Pest einschleppen konntest. Du kannst es mir ruhig sagen, es ist Privatsache, denn für die Regierungen spielt es jetzt keine Rolle mehr.«
    »Sämtliche Programme sind ausgelöscht, die Speicher in den Computern, alles?« fragte ich wie betäubt. Erst jetzt begann ich das Ausmaß dieser Neuigkeit zu erfassen.
    »Jawohl, mein pfundiger Missionar! Pfundweise nämlich hast du uns die Pest eingeschleppt, sicher nicht mit Absicht, denn woher hättest du das wissen können! Wir sind zurückgefallen in die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. In technischer Hinsicht und überhaupt. Damals gab es allerdings Kanonen. Die müssen jetzt erst wieder aus den Museen geholt werden.«
    »Warte mal, Adelaide«, unterbrach ich ihn. »Warum denn ausgerechnet ins zwanzigste Jahrhundert? Damals gab es doch schon ganz hochgerüstete Armeen.«
    »Da hast du recht. Der Zustand ist eigentlich ohne Beispiel. Es ist wie nach einem lautlosen Atomkrieg, bei dem die gesamte Infrastruktur verlorengegangen ist. Die industrielle Basis, das Nachrichtenwesen, das Bankwesen, die Automatisierung. Übriggeblieben sind nur einfache Mechanismen, auch hat weder ein Mensch noch eine Fliege den geringsten Schaden erlitten. Doch, denn es muß eine Menge Unfälle gegeben haben, nur daß keiner ordentlich Bescheid weiß, weil das Nachrichtenwesen ausgefallen ist. Auch die Zeitungen werden ja längst nicht mehr nach Gutenbergs Methode gedruckt. Die Redaktionen hat ebenfalls der Schlag getroffen. Nicht mal in den Autos
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