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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden
Autoren: Stanislaw Lem
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funktionieren alle Anlagen. Mein Cadillac ist ein Wrack.«
    »Es wird doch wohl nur der Dienstwagen sein«, bemerkte ich, »da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    »Wahrhaftig«, pflichtete er mir bei. »Jetzt sind die Armen obenauf, die Vierte Welt, denn dort haben sie noch alte Schießeisen, vielleicht sogar noch von 1870, dazu die Munition und schließlich Spieße, Bumerangs und Knüppel. Das sind jetzt die ›Massenvernichtungswaffen‹! Wir können uns auf eine Invasion der australischen Ureinwohner gefaßt machen. Bei sich zu Hause dürften sie längst an der Macht sein. Nun kannst du mir wenigstens sagen, warum du da hinuntergeklettert bist! Was schadet es dir denn noch?«
    »Glaubst du wirklich, daß ich das weiß?« fragte ich, allerdings nicht allzusehr verwundert, weil ich fühlte, wie mikroskopisch klein meine Person und meine Lage geworden waren. »Ich habe keine Ahnung und bin bereit, dir fünf Prozent der Einkünfte für diesen Bestseller abzutreten, wenn du mir DAS erklären kannst. Nach deinem Studium mußt du doch besser sein als Sherlock Holmes. Ziehe deine Schlüsse, du kennst sämtliche Indizien so gut wie ich.«
    Er schüttelte melancholisch den Kopf.
    »Er weiß es nicht«, erklärte er den Blumen van Goghs, die jetzt von den Sonnenstrahlen erreicht wurden und einen gelben Widerschein auf mein zerknautschtes Bett warfen. Da mir die Beine weh taten, erhob ich mich aus dem Schneidersitz, nahm aus dem Schrank eine hinter den Anzügen versteckte Flasche Bourbon und aus dem Kühlfach Eiswürfel, schenkte uns beiden ein und schlug vor, auf eine Beerdigung zu trinken: die der Abrüstung durch Aufrüstung.
    »Ich habe zwar zu hohen Blutdruck und Zucker«, wandte Gramer ein und drehte das Glas in den Fingern, »aber das eine Mal zählt nicht. Meinetwegen, auf unsere verstorbene Welt!«
    »Warum denn ›verstorben‹?« protestierte ich. Wir tranken, Gramer verschluckte sich und hustete, setzte das Glas ab und rieb sich die Wange. Ich bemerkte, wie nachlässig er rasiert war. Mit schwacher Stimme, als sei er plötzlich um zehn Jahre gealtert, sagte er: »Je höher einer durch Computer geklettert war, um so tiefer ist er jetzt gefallen. Sämtliche Programme sind zersetzt.« Er klopfte sich auf die Tasche, in der der Brief von »Uncle Sam« steckte. »Das ist eine Leichenfeier. Eine Epoche ist zu Ende.«
    »Wieso denn? Wenn es Medikamente gegen normale Viren gibt …«
    »Rede keinen Quatsch. Mit welchem Medikament läßt sich ein Leichnam aufwecken? Von allen Programmen auf der Erde, in der Luft, unter Wasser und im All ist doch nichts übrig. Selbst diesen Brief mußten sie mir mit einer alten ›Bell‹ herbringen, weil in den neueren Maschinen alles ausgefallen ist. Einige Minuten nach acht hat es angefangen, und diese Idioten haben geglaubt, es sei eine gewöhnliche Seuche.«
    »Überall gleichzeitig?«
    Vergebens suchte ich mir das Chaos vorzustellen – in den Banken, auf den Flughäfen, in Ämtern, Ministerien und Krankenhäusern, in Rechenzentren, an Universitäten, in Schulen und Fabriken …
    »Genaues weiß man nicht, weil es kein Nachrichtenwesen gibt, aber dem zufolge, was ich erfahren habe, überall zur gleichen Zeit.«
    »Wie konnte das passieren?«
    »Du hast wohl Larvenformen oder Dauersporen mitgebracht, die sich dann lawinenartig vermehrten, um in der Luft, im Wasser und überall einen bestimmten Sättigungsgrad zu erreichen, der dann ihre Aktivierung auslöste. Die Rüstungsprogramme auf dem Mond waren bestgesichert gewesen, und so war es auf der Erde nur ein Kinderspiel. Die totale Bitodemie, ein parasitäres Bitozid. Mit Ausnahme dessen, was lebte, denn auf dem Mond hatten sie mit Lebendem nie zu tun gehabt. Andernfalls hätten sie uns alle erledigt, einschließlich der Antilopen, Ameisen, Sardinen und sämtlicher Gräser als Zugabe. Laß mich jetzt in Ruhe! Ich habe keine Lust mehr, dir Vorträge zu halten.«
    »Wenn es so ist, wie du sagst, beginnt alles von vorn – auf alte Weise.«
    »Na klar. In einem halben oder ganzen Jahr findet man ein Antidot gegen den Virus Lunaris Bitoclasticus, man läßt Gegenviren auf ihn los, und die Welt stolpert in die nächste Patsche.«
    »Dann büßt du deinen Job vielleicht doch nicht ein.«
    »Ich habe die Nase voll«, erklärte er kategorisch. »Nicht unbedingt, weil ich nicht wollte, aber ich bin einfach zu alt. Die neue Ära verlangt eine neue Ausbildung. Antilunare Informatik und so weiter. Der Mond wird sicherlich thermonuklear
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