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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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Kelley hier haben sich die Götter der Zeit entschieden, uns die Ankunft des Feurigen Trigons anzukündigen, wenn die alte Ordnung umgestürzt und die Welt nach dem Abbild einer alten Wahrheit neu erschaffen werden wird!«
    »Er hat zweifellos von bedeutenden Dingen gesprochen«, räume ich ein.
    Jetzt dreht sich Kelley mit schweißfeuchter Stirn um und mustert mich mit seinen eng beieinanderstehenden Augen.
    »Doktor Dee – was ist dieses Feurige Trigon?«, fragt er, nun wieder mit seiner normalen, leicht näselnden Stimme.
    »Du konntest die Bedeutsamkeit dessen, was uns deine Gabe heute enthüllt hat, nicht erfassen, Ned«, erwidert Dee in väterlichem Ton, »aber du hast uns eine wundersame Prophezeiung übermittelt. Wirklich wundersam.« Er schüttelt langsam und bewundernd den Kopf, dann beginnt er im Studierzimmer auf und ab zu schreiten, während er zu einer Erklärung ansetzt und dabei merklich seine Autorität als Lehrer zurückgewinnt. Im Verlauf der Séance ist er vollständig von Kelley abhängig, aber eigentlich ist es nicht seine Gewohnheit, sich unterwürfig zu zeigen; immerhin ist er der persönliche Astrologe der Königin.
    »Ein Mal alle zwanzig Jahre«, führt er aus, dabei hebt er wie ein Schulmeister einen Zeigefinger, »bilden die beiden mächtigsten Planeten in unserem Kosmos, Jupiter und Saturn, eine gerade Linie und bewegen sich jedes Mal durch die zwölf Tierkreiszeichen. Alle zweihundert Jahre – mehr oder weniger – rückt diese Konjunktion in ein neues Trigon, das heißt in die Gruppe von drei Zeichen, die einem der vier Elemente zugeordnet sind. Und ein Mal alle neunhundertsechzig Jahre wird der Zyklus durch die vier Elemente vollendet und beginnt von neuem beim Feuer. Während der letzten zweihundert Jahre wanderten die Planeten durch die Zeichen des Wassertrigons. Aber jetzt, mein lieber Ned, in diesem Jahr des Herrn 1583, werden sich Jupiter und Saturn erneut mit dem Zeichen des Widders vereinen, dem ersten Zeichen des Feurigen Trigons – die mächtigste aller Konjunktionen, die seit fast tausend Jahren nicht mehr vorgekommen ist.«
    Er legt eine effektheischende Pause ein. Kelleys Mund steht offen wie das Maul eines Kabeljaus.
    »Dann ist dies ein bedeutsames Ereignis am Himmel?«
    »Mehr als bedeutsam«, spinne ich den Faden weiter. »Der Anbruch des Feurigen Trigons kündigt den Beginn einer neuen Epoche an. Es ist erst die siebte Konjunktion dieser Art seit der Erschaffung der Welt, und jede wurde von Ereignissen begleitet, die die Geschichte erschüttert haben. Die Sintflut, die Geburt Christi, der Herrschaftsantritt Karls der Großen – all das stimmt mit der Rückkehr zum Feurigen Trigon überein.«
    »Und dieser Übergang in das Zeichen des Widders am Ende unseres unruhigen Jahrhunderts bedeutet laut Vorhersage wieder das Ende einer Zeit«, stimmt Dee nachdenklich zu. Er ist vor seinem hohen perspektivischen Spiegel in dem kunstvoll verzierten Goldrahmen angekommen, der in der Ecke bei dem nach Westen hinausgehenden Fenster steht. Seine besondere Eigenschaft besteht darin, dass er ein Bild wirklichkeitsgetreu wiedergibt und nicht seitenverkehrt wie bei einem gewöhnlichen Spiegel. Die Wirkung ist eigenartig beunruhigend. Jetzt dreht Dee sich zu uns um und hebt die rechte Hand. Sein Spiegelbild tut das Gleiche.
    »Der Astronom Richard Harvey schreibt über die derzeitige Konjunktion: ›Darauf wird entweder eine wundervolle und Furcht einflößende Veränderung von Kaiserreichen, Königreichen und Staaten oder die Zerstörung der Welt folgen‹«, füge ich hinzu.
    »Das hat er getan, Bruno, das hat er getan. In den kommenden Zeiten, meine Freunde, können wir wahrscheinlich mit Zeichen und Wundern rechnen. Unsere Welt wird sich verändern, bis wir sie nicht wiedererkennen. Wir werden Zeugen des Anbruchs einer neuen Ära werden.« Dee zittert, seine Augen schimmern feucht.
    »Dann kam … der Geist in dem Kristall, um uns an die Prophezeiung zu erinnern?«, fragt Kelley verwundert.
    »Und um uns auf ihre spezielle Bedeutung für England hinzuweisen«, fügt Dee mit bedeutungsschwangerer Stimme hinzu. »Denn sie kann nur auf eines hinauslaufen – die Abschaffung der alten Religion zugunsten einer neuen, mit Ihrer Majestät als Licht der endgültigen Aufklärung.«
    »Davon hatte ich ja keine Ahnung«, beteuert Kelley träumerisch.
    Ich beobachte ihn genau. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder er ist ein Scharlatan, oder er verfügt wirklich über eine
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