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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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langwierigen Krankheitsschübe, die ihn in regelmäßigen Abständen für Tage an sein Bett fesseln, aber wenn man sich nach seiner Gesundheit erkundigt, winkt er nur ungeduldig ab; so als hätte er keine Zeit, über solche Belanglosigkeiten nachzudenken. Dieser Mann, Königin Elisabeth Tudors erster Staatssekretär, hält die Sicherheit Englands in den Händen, obwohl er auf den ersten Blick keinen sonderlich imposanten Eindruck macht. Walsingham hat ein Netzwerk von Spionen und Informanten aufgebaut, das sich quer über Europa bis zum Land der Türken im Osten und den Kolonien der Neuen Welt im Westen erstreckt, und die Nachrichten, die sie ihm bringen, stellen den besten Schutz der Königin vor den Myriaden katholischer Komplotte gegen sie dar, die ständig ihr Leben bedrohen. Und was noch bemerkenswerter ist – er hat all diese Informationen im Kopf und kann sie jederzeit abrufen, wenn er sie benötigt.
    Ich war vor sechs Monaten zu Frühjahrsbeginn in England eingetroffen, auf Geheiß meines Gönners König Henri III. von Frankreich, um einige Zeit bei seinem Botschafter in London zu verbringen und so der Aufmerksamkeit der katholischen Extremisten zu entgehen, die unter der Führung des Herzogs von Guise in Paris immer mehr Anhänger gewannen. Nachdem ich mich kaum zwei Wochen in England aufgehalten hatte, bat mich Walsingham um ein Treffen. Die langjährige Feindschaft zwischen mir und Rom sowie meine privilegierte Position als Hausgast in der französischen Botschaft machten mich zum idealen Mann für seine Zwecke. Und im Lauf der letzten Monate habe ich gegenüber Walsingham immer größeren Respekt empfunden, wenn nicht sogar ein wenig Furcht.
    Seit ich ihn zuletzt gesehen habe, ist er jedoch hager und hohlwangig geworden. Jetzt faltet er die Hände hinter dem Rücken; der Lärm in der Halle verklingt, als wir uns vom Haus entfernen.
    » Congratulazione , Euer Gnaden.«
    » Grazie , Bruno. Ich hoffe, Ihr genießt das Fest!«
    Wenn er unter vier Augen mit mir spricht, bedient er sich des Italienischen, teilweise vermutlich, um mir meine Befangenheit zu nehmen und teils, weil er sichergehen will, dass mir kein wichtiger Punkt entgeht – sein Diplomatenitalienisch ist wesentlich besser als mein Englisch, das ich größtenteils auf meinen Reisen von Kaufleuten und Soldaten gelernt habe.
    »Nur aus reiner Neugier – wo habt Ihr unsere englischen Tänze gelernt?«, fügt er hinzu, dabei dreht er sich zu mir um.
    »Ich mache einfach das, was die anderen machen. Wenn man beherzt genug auftritt, gehen die Leute davon aus, dass man weiß, was man tut, diese Erfahrung habe ich schon vor langer Zeit gemacht.«
    Er lacht dieses tiefe, grollende Lachen, das so selten aus seiner Brust dringt.
    »Das ist Euer Motto in allen Dingen, nicht wahr, Bruno? Wie sonst könnte ein Mann von einem flüchtigen Mönch zum persönlichen Berater des Königs von Frankreich aufsteigen? Wo wir gerade von Frankreich sprechen …«, seine Stimme klingt betont gleichmütig, »… wie geht es denn Eurem Gastgeber, dem Botschafter?«
    »Castelnaus Stimmung hat sich beträchtlich gehoben, seit seine Frau und seine Tochter aus Paris zurückgekehrt sind.«
    »Hm. Ich habe Madame de Castelnau noch nicht kennen gelernt. Es heißt, sie wäre eine Schönheit. Kein Wunder, dass der alte Hund bei bester Laune ist.«
    »Schön … ja, das ist sie wohl. Ich habe bislang noch nicht mit ihr gesprochen, aber gehört, dass sie als äußerst fromme Tochter der katholischen Kirche gilt.«
    »Das hat man mir auch zugetragen. Dann müssen wir Acht geben, dass sie keinen zu großen Einfluss auf ihren Mann ausübt.« Seine Augen werden schmal. Wir haben die Bäume erreicht, und er bedeutet mir, ihm in ihren Schatten zu folgen. »Ich hatte gedacht, Michel de Castelnau würde die Vorliebe des französischen Königs für diplomatische Beziehungen zu England teilen – das hat er jedenfalls selbst im Rahmen einer Audienz bei mir behauptet. Aber in letzter Zeit gewinnen dieser fanatische Herzog von Guise und seine katholischen Verbündeten am französischen Hof immer mehr Macht, und in Eurem Brief von letzter Woche habt Ihr mir ja mitgeteilt, dass Guise Maria von Schottland über die französische Botschaft Geld schickt …« Er hält inne, um seinen Zorn zu zügeln, und schlägt mit der Faust in seine Handfläche. »Und wozu braucht Maria Stuart Guises Geld, hm? Sie wird in Sheffield Castle mehr als großzügig versorgt, wenn man bedenkt, dass sie unsere Gefangene
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