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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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herüber, und er scheint sich an den Anlass dafür zu erinnern. »Im Moment wäre das alles. Kommt – wir sollten heute fröhlich sein! Ihr müsst Euch wieder an dem Tanz beteiligen.«
    Wir drehen uns zu den erleuchteten Fenstern um. Seine Hand ruht noch immer leicht auf meinem Rücken. Hier draußen, so weit westlich von der Innenstadt Londons entfernt, bringt die frische Brise saubere Nachtdüfte nach Erde, Gras und Frost mit sich. Sogar die Themse, die träge hinter den Bäumen dahinfließt, riecht hier nicht so faulig. Dees Haus liegt nur eine Meile entfernt; ich bin überrascht, dass er nicht eingeladen wurde. Immerhin ist er Sidneys alter Lehrer und eine Art Freund von Walsingham. Als würde er meine Gedanken lesen, bemerkt der Staatssekretär beiläufig:
    »Ihr verbringt neuerdings viel Zeit in Mortlake, wie ich hörte?« Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ich schreibe ein Buch«, erkläre ich, als wir langsam in Richtung der Musik zurückgehen. »Doktor Dees Bibliothek ist für mich von unschätzbarem Wert.«
    »Was für ein Buch?«
    »Über Philosophie. Und Kosmologie.«
    »Also eine flammende Verteidigungsschrift Eures geliebten Kopernikus.«
    »Etwas in der Art.« Ich will nicht zu viele Worte über das Buch verlieren, an dem ich arbeite, bevor es vollendet ist. Die Theorien, die es enthalten soll, sind nicht nur kontrovers, sondern revolutionär und gehen weit über Kopernikus’ Thesen hinaus. Ich möchte es wenigstens geschrieben haben, bevor ich gezwungen bin, mich dafür zu rechtfertigen.
    »Hm.« Bedeutungsschwangeres Schweigen folgt auf diesen Laut. »Hütet Euch vor allzu engem Umgang mit Doktor Dee, Bruno.«
    »Ich dachte, er wäre Euer Freund, Euer Gnaden?«
    »Das trifft bis zu einem gewissen Punkt auch zu. Wenn es um Kartografie, Chiffres oder die Reformation des Kalenders geht, gibt es niemanden im ganzen Reich, dessen Wissen ich höher schätze. Aber in der letzten Zeit spricht er mir zu viel von Prophezeiungen und Omen.«
    »Er glaubt, wir leben in der Endzeit, Euer Gnaden.«
    »Wir leben in Zeiten nie dagewesener Unruhen, so viel steht fest«, erwidert er brüsk. »Ihre Majestät hat genug zu fürchten, da muss Dee ihr nicht auch noch seine apokalyptischen Vorhersagen einflüstern, weil er sich ihr unentbehrlich machen will. Was wir alle auf unsere Weise tun«, schließt er seufzend. »Aber sein Einfluss reicht inzwischen bis in die Kronratskammer, und plötzlich trifft sie keine Entscheidung mehr, ohne vorher eine Sternenkarte zu Rate zu ziehen. Was die Regierungsgeschäfte ziemlich erschwert. Außerdem«, er dämpft die Stimme, »bin ich der festen Überzeugung, dass Gott der Herr einige Geheimnisse in das Buch der Natur geschrieben hat, die nicht enthüllt werden sollten. Wie ich hörte, bewegen sich Dees jüngste Experimente gefährlich nah an dieser Grenze.«
    Es bringt nichts, ihn zu fragen, wie er von Dees Experimenten erfahren hat; Walsingham verfügt über Spitzel in ganz Europa und sogar den Kolonien der Neuen Welt. Kein Wunder, dass er genau weiß, was eine Meile von seinem eigenen Haus entfernt vor sich geht. Aber trotzdem, Dee war doch immer so sorgfältig darauf bedacht, seine Geheimnisse zu wahren …
    »Einige bei Hof finden, dass er einen zu großen Einfluss auf Ihre Majestät ausübt und in Ungnade fallen sollte«, fährt Walsingham fort.
    »Zählt Ihr auch dazu?«
    Seine Zähne schimmern im Dunkeln, als er lächelt.
    »Ich habe großen Respekt vor John Dee und würde nichts tun, was seinem Ruf schadet. Das gilt aber nicht für manche anderen Mitglieder des Kronrats. Lord Henry Howard veröffentlicht, wie man mir zutrug, ein Buch, das er der Königin präsentieren will – ein hitziger Angriff auf Prophezeiungen und Astrologie und alle, die behaupten, die Zukunft vorhersagen zu können. Er bezeichnet diese Leute als Hexenmeister und beschuldigt sie, mit Dämonen zu kommunizieren. Dees Name wird nicht ausdrücklich genannt, aber die Absicht ist nicht misszuverstehen … wenn Dee der Hexerei bezichtigt würde, hätte das üble Folgen für alle, die als seine Freunde bekannt sind – für mich, für Sidney, für den Earl of Leicester. Die Howards verfügen über eine gefährliche Macht, wie die Königin nur zu gut weiß. Vielleicht erwähnt Ihr das Dee gegenüber, wenn Ihr das nächste Mal seine Bibliothek benutzt.«
    Zum Zeichen dafür, dass ich die Warnung verstanden habe, neige ich leicht den Kopf. Als ich mich verbeuge und mich verabschieden will, blicke
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