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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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einen Moment frische Luft schnappen möchte, ehe ich mich wieder in das Getümmel stürze, aber ich habe kaum den Mund geöffnet, als mich eine Faust zwischen den Schulterblättern trifft und ein herzlicher Ausruf ertönt.
    »Giordano Bruno! Was muss ich da sehen? Der große Philosoph hat seine Gelehrtenrobe abgelegt und schwingt mit einer Blume vom Hof Ihrer Majestät das Tanzbein? Hast du so im Kloster tanzen gelernt? Deine verborgenen Talente setzen mich immer wieder in Erstaunen, amico mio .«
    Als ich das Gleichgewicht wiedererlangt habe, drehe ich mich um und lächle breit. Vor mir steht der Bräutigam, herausgeputzt in vollem Staat, sechs Fuß groß und mit von Wein und Triumph gerötetem Gesicht. Seine Kniehose aus kupferfarbener Seide ist so voluminös, dass es an ein Wunder grenzt, wenn er sich damit durch eine Tür zwängen kann. Dazu trägt er ein elfenbeinfarbenes, mit Saatperlen besticktes Wams, und die Spitzenkrause um seinen Hals ist so steif gestärkt, dass sein hübsches, bartloses Gesicht so mühsam darüber hinwegzuspähen scheint wie das eines kleinen Jungen über eine hohe Mauer. Sein Haar steht vorne immer noch hoch wie das eines Schulbuben, der gerade aus dem Bett gescheucht worden ist. In all dem Tumult habe ich seit der Zeremonie am Morgen kein Wort mit ihm gewechselt, er und seine junge Braut waren ständig von hochrangigen Gratulanten und Verwandten umringt – den höchsten Würdenträgern des Hofes Ihrer Majestät.
    »Nun«, er grinst schelmisch, »willst du mir nun Glück wünschen, oder bist du nur wegen der Speisen auf meiner Tafel hier?«
    »Auf der Tafel deines Schwiegervaters, meinst du wohl«, berichtige ich ihn lachend. »Oder hast du irgendeinen Teil des Festes selbst bezahlt?«
    »Deine Debattierhallenpedanterie kannst du dir heute sparen, Bruno. Aber ich hoffe, auch du hast genug Fleisch und Wein abbekommen.«
    »Hier gibt es genug Fleisch und Wein, um die fünftausend zu speisen.« Ich deute auf die beiden langen Tische an jedem Ende der großen Halle, die sich unter den Resten des Festbanketts biegen. »Davon werdet ihr noch wochenlang essen.«
    »Oh, dafür wird Sir Francis schon sorgen«, entgegnet Sidney. »Heute Großzügigkeit, morgen Sparsamkeit, so lautet sein Motto. Aber lass gut sein, Bruno. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich freue, dass du hier bist.« Er breitet die Arme aus, und ich umarme ihn mit ehrlicher Zuneigung. Aufgrund meiner geringeren Körpergröße bohrt sich meine Nase in seine Halskrause.
    »Pass auf meinen Festtagsstaat auf«, warnt er nur halb im Scherz. »Bruno, darf ich dich meinem Onkel Robert Dudley, dem Earl of Leicester, vorstellen?«
    Er tritt zurück und deutet auf einen Mann, der ein paar Schritte entfernt von ihm steht. Er ist ungefähr so groß wie Sidney, vielleicht Mitte fünfzig, trotzdem noch kräftig und athletisch. Sein Haar schimmert an den Schläfen stahlgrau, aber das Gesicht hinter dem säuberlich gestutzten Bart ist feinknochig und anziehend. Der Mann mustert mich mit wachen braunen Augen.
    »Mylord.«
    Ich verneige mich tief. Der Earl of Leicester ist einer der hochrangigsten Edelmänner Englands und der Mann, der größeren Einfluss auf Königin Elisabeth ausübt als irgendjemand sonst. Dann hebe ich den Kopf und stelle fest, dass er mich abschätzend taxiert. Man munkelt, dass er in ihrer beider Jugend der einzige Geliebte der Königin gewesen sei und ihre lang andauernde Freundschaft auch heute noch intimer als die meisten Ehen wäre. Er lächelt, und jetzt tritt ein warmer Ausdruck in seine Augen.
    »Doktor Bruno, die Freude ist ganz meinerseits. Als ich von Eurem mutigen Handeln in Oxford erfuhr, wollte ich Euch unbedingt persönlich kennen lernen und Euch danken.« Bei diesen Worten dämpft er seine Stimme – Leicester ist der Kanzler der Universität von Oxford und damit beauftragt, die katholische Widerstandsbewegung unter den Studenten zu zerschlagen. Dass diese Bewegung während seiner Amtszeit so mächtig geworden ist, hat ihn in nicht geringe Verlegenheit gesetzt; meine Abenteuer mit Sidney dort im Frühjahr hatten dazu beigetragen, sie zumindest vorübergehend auszuschalten. Ich setze gerade zu einer Antwort an, als wir von einem Mann in einem rostfarbenen Wams unterbrochen werden, der einen derart kugelförmigen Bauch vor sich herträgt, dass es aussieht, als wäre er schwanger. Der Earl nickt mir höflich zu, und ich wende mich wieder Sidney zu.
    »Mein Onkel scheint Gefallen an dir zu finden. Er
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