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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi
Autoren: Richard R. Roesch
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einen Schluck Kaffee!«
    Tina nickte, sie tranken, dann sagte sie: »Ich bin gespannt, was Sie als Fachmann dazu sagen.«
    Pawel steckte sich eine Zigarette an, blies den Rauch nach oben hin weg und sagte: »Das ging zu schnell!«
    Besorgt sah Tina ihn an: »Ein schlechtes Zeichen?«
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Also ist es nicht ausgeschlossen, dass es ein schlechtes Zeichen ist.«
    »Nach dem Prinzip der Ausschließlichkeit nicht, das die Berliner Kriminalpolizei in der Nazizeit entwickelt hat.«
    »Prinzipien!«, sagte Tina abfällig, wirkte aber durch Pawels Fachwissen beruhigt.
    »Wo ist das Gerät denn?«, fragte er.
    Sie stand auf, ging in den Flur und kam wenig später mit dem Telefon zurück: »Hier.«
    »Und Sie haben heimlich mitgeschnitten?«
    »Wie Sie gesagt haben.«
    »Er weiß nichts vom Mitschnitt?«
    Tina schüttelte den Kopf, und Pawel vertiefte sich in die Eingeweide des altmodischen Telefonapparates.
    Tina beugte sich über den Tisch, wollte ihm schon helfen, doch Pawel lehnte mit einer entschiedenen Geste ab, während er vom Ansatz ihrer Brüste abgelenkt wurde. Er machte sich auf der Couch ein wenig größer.
    Sie trug keinen BH. Er sah ihr in die Augen und lächelte an diesem Morgen zum ersten Mal.
    »Keine Sorge«, sagte er.

IV.
     
    Der Mitschnitt brachte im Moment nicht viel. Pawel zog die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. Ein gewöhnlicher Anruf eines gewöhnlichen Agenten eines gewöhnlichen Meinungsforschungsinstitutes.
    »Finden Sie das nicht ungewöhnlich?«, fragte Tina.
    Pawel schüttelte erneut den Kopf. Zwar brauchte auch er ständig neue Geldmittel, aber Klienten zu betrügen, das wollte er lieber seinen Büronachbarn überlassen, den Versicherungsmaklern Nonnenmacher, Ledig und Schmitt.
    Er versuchte es mit einer harmlosen Erklärung: »Die brauchen gewisse persönliche Angaben, um ihre Statistiken zu füttern.«
    »Und die verschiedenen Tonlagen? Als würde der Mann mit verschiedenen Stimmen sprechen.«
    »Sie meinen, das könnte auf eine Schizophrenie hindeuten? Ich weiß nicht. Das ist mir zu sehr Küchentischphilosophie.«
    »Psychologie.«
    »Bitte?«
    »Das nennt sich im Volksmund Küchentisch psychologie .«
    »Ach, ja? Na, gut. Ich sage Ihnen, was ich mache: Ich nehme den Mitschnitt mit und lasse ihn von einem Experten untersuchen. Wenn es da etwas Verdächtiges gibt, dann wird mein Experte das sicher finden. Darauf können Sie sich verlassen. Leider wird das einen Tag dauern. Wir müssten also bei den drei veranschlagten Tagen bleiben, ohne dass ich weiß, ob da wirklich etwas ist.«
    Tina nickte: »Mir wäre es lieber, Sie könnten mich beruhigen. Solch ein Flüstern, das ist doch nicht normal.«
    »Für mich klang das nach Heiserkeit«, sagte Pawel Höchst. Er stand mit einem Ruck auf und fügte hinzu: »Mir wäre es aber auch lieber, Sie beruhigen zu können, das können Sie mir glauben.«
    Er nahm die Minikassette an sich und ging in den Flur, wo er sich kurz von ihr verabschiedete und die Wohnungstür von außen zuzog. Pawel wollte nicht in ein Gespräch verwickelt werden. Dazu wusste er noch zu wenig. Mit offenen Schnürsenkeln ging er eine Etage nach unten, ehe er sich auf eine Stufe setzte und die Schuhe gemächlich schloss.
    Auf der Straße sah er hoch, winkte Tina, die auf dem Balkon stand, und bedeutete ihr, er werde sie anrufen. Sie nickte, die jungen Brüste auf der sanierten Brüstung.
    War Rostock nicht eine schöne Stadt? Sagten das die Leute nicht immer wieder? Die Besucher wie auch die Einwohner? Sicherlich bestach sie nicht durch tausendjährige Bauten, dazu hatte ihr die Geschichte viel zu übel mitgespielt, aber was sie für einen ganz eigenen Menschenschlag hervorbrachte! Immer und immer wieder. Während Pawel zu seinem Auto ging, dachte er an die vielen Rostockerinnen und Rostocker, die ihm freundlich und sachlich geholfen hatten, die offen und vorsichtig auf ihn zugekommen waren, die so eigenartig umarmend und abwehrend sein konnten. Hatte der ewige Kampf gegen die Ostsee sie dazu gemacht? Als einzige deutsche Großstadt lag Rostock direkt an der See, und Pawel Höchst wusste, wie hart der Ostseewind sein konnte, wie beständig er die Kraft aus den Menschen stahl, wie sehr er sie aber auch wiederum mit einer ganz anderen Kraft beschenkte. Lag es am Wind, dass die Menschen hier so herrlich schnell zur Sache kamen? Pawel stieg in sein Auto und dachte an das schmutzige Grau seiner nordrussischen Heimat, ehe er seiner jetzigen Heimatstadt
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