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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi
Autoren: Richard R. Roesch
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wir?«
    »Mir scheint, Sie kennen hier die Mannschaft.«
    »Ach so, na ja, eigentlich nur Roberto. Ich war mit ihm in der gleichen Schule, damals, vor etlichen Jahrzehnten.«
    »Na, na, vor höchstens zwei Jahren, drei?«
    Tina lächelte, an plumpe Komplimente gewöhnt, und winkte ab: »Also, ich werde verfolgt und belästigt, ich weiß nicht, was genau zutrifft. Auf jeden Fall ist da ein schmieriger Typ, der nicht ganz dicht ist.«
    »Ich höre zu. Sie reden langsam.«

III.
     
    »Jeder Kontakt hinterlässt eine Spur«, beruhigte Pawel seine Klientin, nachdem sie ihre Story vor ihm ausgebreitet hatte.
    »Das klingt beängstigend.« Tina klang unsicher.
    »Handbuch für Kriminalisten, Seite drei. Dieser Leitsatz, ohne den wir Ermittler einpacken müssten, wurde achtzehnhundertneunundsechzig in Frankreich entdeckt und beschrieben. Der Typ hieß Locard. Und die These heißt zwangsläufig Locardsches Austauschprinzip«, erläuterte Pawel, der die Erfahrung gemacht hatte, dass solcherlei Informationen bei seinen deutschen Klienten Vertrauen freisetzten. Dazu nickte er ernst.
    Pawel hatte zwar kein Diplom, aber das hieß noch lange nicht, dass er keines haben könnte. Erneut nickte er Tina ernst zu und bestellte bei Roberto einen weiteren Wodka.
    »Eine neue Zwiebel?«, fragte der Barmann und schaute leicht angewidert auf das angebissene Gemüse.
    Pawel schüttelte den Kopf. »Zwiebeln vergeudet man nicht. Sie sind mit Tränen gesät.«
    Tina nippte vom Weißwein und sah ihn mit großen Augen an.
    »Das ist ein bisschen dürftig, was Sie da haben«, sagte Pawel zu ihr. »Ich muss erst einmal mehr wissen. Und das heißt, ich muss abwarten und in Ihrer Nähe bleiben. Noch bin ich nicht überzeugt, aber Sie sind durchweg glaubwürdig.«
    »Danke. Ich meine, es waren gar nicht so sehr die Worte und der Verlauf des Gespräches, es war mehr die Art und Weise, verstehen Sie? Er sprach wie mit verschiedenen Stimmen.«
    Der heikle Moment, Pawel musste ihr jetzt unbedingt beweisen, dass er sie ernst nahm, um wenigstens einen Vorschuss herauszuholen. Weibliche Klienten hatten nicht selten Schwierigkeiten, zu glauben, dass sie glaubwürdig waren. Er dachte an die hundertfünfzig Euro pro Tag und sagte: »Sie sind das, was man eine Frau von Welt nennt, Ihnen macht man so schnell nichts vor. Sie haben sich schon mit einigen Verehrern herumgeschlagen, so gut, wie Sie aussehen. Es muss daher mehr dahinter stecken, als es jetzt den Anschein hat. Ich vertraue da ganz Ihrer Empathie. Ich würde also erstmal drei Tage veranschlagen und zwei im Voraus berechnen. Sehr gerne in bar. Dann sehen wir weiter. Der Wein geht auf mich. Roberto, die Rechnung!«
    Zurück im Büro ließ Pawel sich auf den Chefsessel fallen, stoppte mit den Hacken die Fahrt der Rollen ab, sah aus dem Fenster und dachte nach. Nachts wurde das Hafengelände von Flutlichtern erhellt, die jeden Winkel ausleuchteten. Vor seinem Büro befand sich eine Papierraffinerie. Tagsüber kamen ständig Lastwagen vor die große Halle, um Altpapier zu entsorgen, das zu Bündeln zusammengepresst wurde, die dann in alle Herren Länder verschifft wurden. Pawel war von diesem Treiben oft fasziniert, doch jetzt regte sich auf dem Gelände der Fabrik nichts. Es ging auf Mitternacht zu, aber Pawel sah keinen Grund, nach Hause zu fahren.
    Er ging auch nicht ans Telefon, als seine Frau anrief. Schließlich hatte sie den Streit vom Zaun gebrochen, er konnte auch ganz gut im Büro übernachten. Was blieb von der großen Liebe übrig? Gemeinsame Schulden. Einsame Erinnerungen.
    Pawel schüttelte den Kopf, griff nach einem kleinen Buch, schlug es auf und las: »Der French 75 ist ein Klassiker. Er trifft den Kern mit bewundernswerter Präzision. Ein großes Glas zur Hälfte mit zerstoßenem Eis füllen. Gin, Zitronensaft und Zucker hinzufügen und gut verrühren. Mit gekühltem Sekt oder moussierendem Weißwein auffüllen und mit einer Orangenscheibe dekorieren. Entspannt das Lebensgefühl der Zwanzigerjahre genießen.«
    Was ist ein moussierender Weißwein? , fragte sich Pawel. Verdammt noch mal! Und warum kennt sich dieser Roberto nicht bei den Ginklassikern aus? Leute schickt das Arbeitsamt!
    Mit einem kräftigen Stoß ließ er sich auf dem Bürosessel zurückrollen, zog sich an den Tresor und öffnete ihn. Pawel zählte vom Vorschuss einhundert Euro ab und legte die anderen zweihundert zum unversteuerten Kapital. Er war der Meinung, der eigene Tresor sei noch immer die beste Schweizer Bank.
    Als
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