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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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Loyalität
gewechselt, um eine technologische Entwicklung in Gang zu halten, die
schließlich zur interstellaren Raumfahrt geführt hat. Ein
seltenes, wenn nicht einmaliges Phänomen. Die Wahrscheinlichkeit
seines Auftretens ist äußerst gering. Diese Spezies ist
auf ihrem Zitterpfad nur um Haaresbreite der planetaren Vernichtung
entgangen. In mathematisch-logischer Diktion…«

 
77
     
    »Sie kann eure Luft nicht atmen!« rief Dahar. »Die
Luft – tausch die Luft wieder aus!« Doch die Worte waren
noch auf seinen Lippen, als er begriff, daß Grax ihn nicht
hören konnte; der Ged hatte seinen Helm abgelegt.
    Aber Grax wußte doch, daß Menschen diese Luft
nicht atmen konnten, daß Ayrid in dieser Luft sterben
würde…
    Eine Tür in der hinteren Wand wurde aufgestoßen, und
zwei Geds stürmten herein. Obwohl der Raum mit Gedluft
gefüllt war, trugen sie Anzug und Helm. Grax schien sie nicht
über den Luftaustausch informiert zu haben. Und sie hielten
Waffen im Anschlag, wie Dahar sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte
– obwohl sie wissen mußten, daß die beiden Menschen,
die sich mit Grax hier aufhielten, Verbündete waren, und obwohl
Grax sie ohne Helm nicht über einen Eindringling informiert
haben konnte… Grax sah ihm unverwandt in die Augen – doch
er bewegte die Hand, und das Bord neben ihm verschwand dahin, wo es
hergekommen war.
    Dahar fiel es wie Schuppen von den Augen.
    Sein R’Frow wurde bis in die Grundfesten erschüttert,
wankte und bebte. Dann war der Erdrutsch vorüber, und die Stadt
stand wieder ruhig da, finsterer und bedrohlicher denn je. Ayrid
hatte recht gehabt.
    Der tiefste Kummer seines Lebens schnitt ihm ins Herz, heiß
und scharf wie eine glühende Schwertklinge. Einen Moment lang
haßte er Ayrid, weil sie ihm die Augen geöffnet hatte,
haßte sie noch mehr als die Geds, deren Wissenschaft ihm
entglitt. Ayrid lag vor ihm und erstickte, auf diesem makellosen
Wroff, dessen Geheimnisse ihm entglitten, und Haß und Wut und
Enttäuschung fuhren ihm in die Finger, die ihr
rußgeschwärztes Handgelenk hielten, und er drückte zu
– aber nur einen Herzschlag lang.
    Dann war er auf den Füßen und mit einem Satz neben Grax
und mit den Handflächen an der Wand. Wo immer er hintastete, das
Bord tauchte nicht wieder auf.
    Seltsames Grollen drang in seinen Helm: die beiden Geds redeten
miteinander, in einer Sprache, die er noch nie gehört hatte. Er
fuhr zu Grax herum.
    Der Ged bückte sich nach seinem Helm, doch der war fort.
Lahab hatte ihn sich geschnappt, hielt ihn hinter sich und wich damit
rücklings in eine entfernte Ecke zurück. Sein grobes
Gesicht war bleich vor Angst. Dahar packte Graxens Hand und setzte
sie an die Wand, dahin wo das Bord gewesen war, und dann umspannte er
mit beiden Händen den Hals des Ged.
    Die Handkanten berührten den harten Wroffkragen des
Lufttebels, er spürte dünne, zerbrechliche Wirbel zwischen
den Fingern, da wo sie nicht hingehörten, kaum Fleisch.
    »Tausche die Luft aus!«
    Grax konnte ihn nach wie vor nicht hören, wohl aber die
beiden anderen Geds, und das Grollen in Dahars Helm nahm bedrohliche
Formen an. Grax rührte sich nicht. Schwärze
überschwemmte Dahars Hirn, die besinnungslose Wut eines
Kriegers, und er hörte sich aufschreien, als seine Finger
zudrückten, um das fremde Genick zu zerbrechen.
    Aber seine Finger versagten.
    Weil ihn Trägheit übermannte; die Zeit war mit einemmal
so zäh, daß ihm weder die Finger gehorchten noch sonst ein
Muskel unterhalb des Kopfes. Als sei von einem Augenblick auf den
anderen etwas Unsichtbares aus dem Boden gewachsen und sperre ihn
ein, so wie er seine Tierpräparate in Wroff eingesperrt hatte.
Eine Stimme grollte in seinem Helm, friedlicher als die der
bewaffneten Geds, und sie benutzte seine Sprache: »Du stehst
unter unserem Schutz. Du brauchst dich nicht zu wehren.«
    Unter ihrem Schutz!
    Grax wand sich aus den paralysierten Menschenfingern und wurde von
den beiden anderen Geds gepackt. Grollend zerrten sie ihn zur
Tür hinaus. Das Stasisfeld ließ locker.
    Dahar spürte, wie es unendlich langsam und zeitversetzt
absickerte. Als ihm die Finger wieder gehorchten, mit denen er Grax
hatte umbringen wollen, da wollte er die Arme herunternehmen und sich
nach Ayrid umdrehen, aber seine Muskeln versagten ihm den Dienst.
Ayrid war tot, R’Frow lag im Sterben, Jela war verloren, und die
Wissenschaft, die den Anschein erweckt hatte, als könne sie alle
uneingelösten Versprechen der Doppelhelix erfüllen,
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