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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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sie
hatte nur Tod und Verderben gebracht… und er war schuld,
seine Verblendung hatte Ayrid das Leben gekostet. Seinetwegen war
Ayrid in die Mauer eingedrungen, um ihn zu warnen, ihm zu helfen, Dahar, dem Krieger… Krieger…
    Er ruderte wild mit den Armen, doch er schwamm auf; das Stasisfeld
sickerte unerbittlich langsam in den Boden zurück… doch in
dem Augenblick, da es die Wrofftaschen freigab, die er mit Graxens
Hilfe eingerichtet hatte, riß er die Waffen heraus und
schoß abwechselnd mit Kugelrohr und Hitzeschleuder auf die
Tür, durch die Grax verschwunden war. Weißglut waberte um
die Mündung der Hitzeschleuder. Querschläger prallten von
seinem Helm und Oberkörper ab, und bald schwirrte es nur so von
Kugeln im Raum. Querschläger, die in das versickernde Stasisfeld
gerieten, wurden jählings abgebremst und sanken wie in
Glasschmelze auf seltsam verschrobenen Bahnen zu Boden…
    Immer wieder drückte Dahar ab, bis die Waffen leergeschossen
waren. In seinem Helm, der ihn von allen Außengeräuschen
abschottete, außer vom Schweigen Lahabs, war nur sein eigenes
Ächzen, Stöhnen und Zähneknirschen zu hören.

 
78
     
    »…Ende der relevanten Gleichungen«, raunte das
Bibliothekshirn mit samtweicher Stimme.
    »Lösung des Zentralen Widerspruchs: In einer
Spezies ohne Ethik und Einhelligkeit kommt es aufgrund interner
Gewalt zu streunenden Loyalitäten, und streunende
Loyalitäten können die Technologie fördern. Gewalt
begünstigt Veränderung.
    Solche Veränderung kann zeitweise die intelligentesten Hirne
vereinen und ihre ›zeitweilige Einhelligkeit‹
ermöglichen…«

 
79
     
    Als Jehanna Talot gewahrte, die mit flammender Mähne hinter
Kelovar auftauchte, hätte sie jauchzen mögen. Talot lebte!
Doch ihr blieb keine Zeit zum Jauchzen. Kelovar, der
größer und kräftiger war als sie, kniete rittlings
über ihr und hob die Faust mit dem Messer hoch über den
Kopf. In dem Augenblick, da er sich auf sie gestürzt hatte,
hatte sie Kugelrohr und Hitzeschleuder weit von sich geworfen, denn
so stark wie er war, hätte er ihr die Waffen mühelos
entwinden können. Ihr Messer steckte im Gürtel, und Kelovar
preßte ihr das linke Handgelenk auf den Leib, so daß sie
es nicht erreichen konnte. Das einzige, was ihr blieb, war, sich mit
aller Kraft nach rechts zu werfen und den linken Ellbogen
hochzureißen, um die Klinge abzufangen. Doch die Klinge kam vom
Weg ab.
    Talots Fuß erwischte Kelovar links am Hals. Seine Klinge
traf knapp neben Jehannas Ohr auf den Wroffboden. Die Spitze brach
mit einem scharfen Knacks ab, und das Heft wurde ihm aus der Faust
gerissen. Er hatte offenbar kein Gedmesser benutzt.
    Zum erstenmal, seit sie R’Frow betreten hatte, erlebte
Jehanna wieder das befreiende Gefühl, sich mit einem
zünftigen Gegner zu messen. Kelovars Rumpf ließ ihr keinen
Spielraum, und seine Linke preßte ihr nach wie vor das linke
Handgelenk auf die Brust, damit sie nicht an ihr Messer kam. Sie
spürte, wie seine Rechte nach ihrem Gürtel tastete,
riß die ihre hoch und stieß mit Zeige- und Mittelfinger
nach seinen Augen.
    Er war zu schnell. Er riß den Kopf zur Seite, während
Talot, die nackt und unbewaffnet war, ihn von hinten würgte. Er
packte die Kriegerin, riß sie auf seine Schulter und warf sie
vornüber auf Jehanna. Die hatte inzwischen mit der Rechten
querüber nach der abgebrochenen Messerspitze gefahndet, sie
gefunden, und Talot wäre, hätte Jehanna damit Hals oder
Brust des Soldaten attackiert, genau in die Spitze gestürzt;
doch Jehanna hatte die Situation instinktiv richtig
eingeschätzt, den Arm rechtzeitig zurückgerissen, streckte
ihn lang an den Boden und rammte Kelovar die Messerspitze ins Bein,
da wo er rittlings auf ihr saß, in die Stelle, die die
Kriegerpriesterin im Ausbildungskader als die empfindlichste
bezeichnet hatte.
    Kelovar erstarrte und schwankte, das Gesicht schmerzverzerrt. Er
erholte sich schnell – aber nicht schnell genug. Talot hatte aus
dem Sturz heraus eine Rolle vorwärts gemacht, sprang mit
Jehannas Kugelrohr in der Hand auf die Füße und
schoß noch aus der Bewegung heraus.
    Die Kugel traf Kelovar mitten in die Stirn. Ein Krampf lief durch
seinen Körper, sein Griff erschlaffte, und Jehanna warf ihn ab.
Doch einen winzigen, letzten Augenblick lang war er noch der Sprache
mächtig, und Jehanna war ihm noch zu nahe, um zu
überhören, was er hauchte.
    »Ayrid…«
    Wut stieg in Jehanna auf, Wut, die nicht aus der Gefahr stammte,
der sie soeben
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