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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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versucht, mit der
Delysierin Ayrid zu kooperieren. Der Delysier Kelovar hat den
Delysier Khalid getötet. Die Delysierin Ayrid hat die Jelitin
SaSa beschützt. Die Jelitin SaSa hat sich geweigert, Kontakt zu
der Jelitin Jehanna aufzunehmen, und statt dessen den Delysier
Kelovar zu Hilfe geholt. Die Jelitin Jehanna…«
    »Kelovar«, sagte Ayrid, »ich kann nichts
dafür.«
    »Sei still«, sagte Jehanna. »Binde ihn los…
Trag sie jetzt zur Mauer.«
    »Sie haben keinen Zugang«, unterbrach das
Bibliothekshirn seine Aufzählung verwirrender
Loyalitätsverschränkungen unter den Menschen von
R’Frow. »Die Mauer ist ihnen verschlossen. Der Ursprung des
roten Haars, das die Jelitin SaSa bei sich trägt, ist
ungewiß; der Bildspeicher gibt keinen Aufschluß. Erneute
Durchsicht…«
    »… Die Delysierin Ayrid zusammen mit dem Delysier
Kelovar und der Jelitin Jehanna…«

 
73
     
    Ayrid erkannte gleich, in welchem Teil der Mauer sie gelandet
waren, und rang nach Luft.
    Sie hatte sich verschätzt. Hier war der Bereich, wo die
Kranken untergebracht waren; Grax und Dahar mußten die Mauer
weiter östlich betreten haben. Sie hatte verloren.
    Nackte Männer und Frauen drückten ihre Gesichter an
Schlitze, schrien durcheinander, spreizten Arme und Hände an das
klare Wroff, führten einen Veitstanz auf und gebärdeten
sich wie Insekten hinter Glas. Kelovar lief mit Ayrid auf den Armen
auf die Zellen zu, und Ayrid zielte mit dem dunkelgrauen
Kästchen. Sie konnte nicht mehr tun als sie draußen getan
hatte, doch das klare Wroff reagierte anders: egal wo und wie sie
drückte, es verschwand spurlos. Einen beklemmenden Augenblick
lang fragte sie sich, was mit den Leuten geschah, die von diesem
›Zwang‹ gestreift oder getroffen wurden – doch wie
durch ein Wunder geschah ihnen nichts. Sie taumelten aus ihren Zellen
und schwärmten in den Raum.
    Neben ihnen tauchte Jehanna auf. »Los! Da lang!«
überschrie sie den schwellenden Lärm. »Talot ist
dahinten!«
    Ayrid drehte sich in Kelovars Armen, weil sie Jehanna sehen
wollte, als sich eine hochschwangere, völlig verwirrte
Delysierin zwischen Kelovar und Jehanna schob. Die kurze Deckung
ausnutzend, ließ Kelovar Ayrid los, duckte sich blitzschnell
und zog ein Messer aus dem Stiefel.
    Ayrid schlug heftig auf, ihr Bein raste vor Schmerz. Einen Moment
lang war ihr schwarz vor Augen, dann sah sie Kelovar mit dem Messer
über sich. Du und Kelovar, hörte sie Dahar spotten
und schloß mit ihrem Leben ab.
    Doch Kelovar blieb keine Zeit für Ayrid. Noch während er
sich aufrichtete, benutzte Jehanna die schwangere Delysierin als
Rammbock. Er wich mit einer raschen Drehung aus, kämpfte um sein
Gleichgewicht, und Jehannas Kugel verfehlte ihn nur knapp. Um einem
zweiten Schuß zuvorzukommen, mußte er sich aus der
Drehung heraus blindlings auf die Kriegerin stürzen. Jehanna
konterte, und sie stürzten beide zu Boden.
    Die Zeit wurde träge, wurde zäh und wälzte sich wie
Glasschmelze, floß in Richtungen, die Ayrid nicht kannte. Was
war los? Dahinten hatte Kelovar sie fallenlassen; wann hatte
sie sich so weit von Jehanna und Kelovar fort- und so nah an die
Wroffzellen herangeschleppt? Sie hielt immer noch das dunkle
Kästchen in den Händen. Sie blickte nach oben –
träge in der unsichtbaren Trägheit, die aus dem Boden stieg
– und sah Talot, das rote Haar hing wirr um den nackten Leib der
Kriegerin. Talot riß immerzu den Mund auf in ihrer Zelle, doch
Ayrid hörte weder Talots Zetern noch sonst etwas. Aus diesem
ganzen kreischenden und gellenden Tohuwabohu hatte sie auf ihre Weise
in SaSas Stille gefunden, und diese Stille war plötzlich so
entsetzlich, daß sie – träge, langsam, unendlich
langsam – auf das Kästchen drückte.
    Die lautlose Trägheit zersplitterte. Talot sprang
vorwärts, war mit einem Satz ihrer langen, nackten Beine
über Ayrid hinweg, und Ayrid sah das Loch, das sie aus dieser
kurzen Entfernung unten in die Rückwand von Talots Zelle
geschmolzen hatte – es führte ostwärts.
    Ostwärts.
    Mit den Handflächen am Boden zerrte und schob sie sich voran,
kroch durch die Öffnung. Auf der anderen Seite sah sie Dahar
etwas schreien, das sie nicht hören konnte – sah, wie er
hinter dem klaren Wroff eines Gedhelms den Mund bewegte. Er war
tatsächlich ein Ged geworden. Er roch wie ein Ged, der ganze
Raum roch nach Ged, ein schwerer eigenartiger Geruch, der ihr die
Kehle zuschnürte… sie bekam keine Luft – die Luft war
nicht atembar; diesmal hatten sie
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