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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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kann.« Jury stand auf.
    Parker auch, er nahm seine Brille, massierte sich den Nasenrücken und setzte sie wieder auf. Sorgfältig legte er sich die Metallbügel um die Ohren.
    Jury schaute ihn an. Geste und Brille erinnerten ihn an den alten Thomas, der Maddy am anderen Ende des Tresens nicht hatte anschauen wollen. »Da müßte man schon blind sein.« Jury erstarrte. Geblendet von der Klarheit. Wie betäubt sagte er noch einmal: »Ich muß gehen, tut mir leid.«
    Er stand in der purpurfarbenen Dämmerung auf dem Fußweg und ging noch einmal alles durch. Es mußte Peter Emery sein. Peter war der einzige Mann, der sich nicht von Dorcas' Aussehen hätte abschrecken lassen und der von ihrer Stimme, wenn sie ihm vorlas, angetan gewesen wäre. Jury lauschte auf das frühe Schreien einer Eule, die zarten raschelnden Bewegungen, die aus dem Rotdorn kamen, und ging dann ein Stück über den Weg.
    Dorcas hatte geglaubt, sie werde ihn heiraten. Dummes Ding. Zwischen ihnen standen ein Dutzend Jahre versteinerter Gefühle, Verbitterung über den Verlust seines Augenlichts. Er war hundert Jahre älter als Dorcas Reese, wenn Erfahrungen ein Maßstab für Alter waren. Eine Affäre mit Dorcas? Ja, aber den Rest seines Lebens mit ihr verbringen? Nein, das glaubte Jury nicht.
    Er holte tief Luft und blieb bewegungslos stehen, lauschte - endlich Ruhe! - und dachte, wie wunderschön das rekultivierte Wyndham Fen war. Es war wiedergewonnen, so, wie Max Owen oder Parker ein Möbelstück restaurieren ließen und wiedergewannen. Und er wünschte sich - obwohl er wußte, daß es romantischer Quatsch war -, er könnte die Zeit zurückdrehen und die ganze Grafschaft so sehen, wie sie gewesen war, als die alten Bewohner der Fens ihr ihren Lebensunterhalt abgerungen hatten. Oder noch früher - wie mußte diese Landschaft ausgesehen haben, als hier nur Inseln waren: Ely, Ramsey, Whittlesey, March. Städte und Dörfer von Wasser umgeben, sonst nur Sumpf und Reetfelder. Aber auch das war eine viel zu romantische Vorstellung, denn es gab wilde Bäche und Flüsse, die Uferböschungen wegrissen, die erbarmungslose, zerstörerische Kraft des Wassers ... Sogar der müdeste Fluß / Strömt endlich doch ins Meer ... , hörte er Parker Swinburne zitieren.
    Jury seufzte. Über diese Dinge dachte er ja nur nach, damit er nicht über etwas anderes nachdenken mußte. Jenny war unschuldig, und nun wußte er es. »Du hättest nie Gewißheit«, hatte sie gesagt. Aber jetzt hatte er sie, und es war zu spät, weil sie beide ihre Ängste nicht ausgesprochen hatten. Sie hatten sich gegenseitig auf Abstand gehalten. Sie hatten einander nicht vertraut, nicht einmal auf so simple Weise, wie Dorcas Parker vertraut hatte. Der müdeste Fluß / Strömt endlich doch ins Meer.
    Plötzlich wurde aus dem Ideenfünkchen blendende Helligkeit. Sie breitete sich vor ihm aus wie Wasser, das die Fens überflutete. Und ihm war auch, als dächte nicht er selbst, sondern eine Macht für ihn.
    Allein konnte er nichts unternehmen. Er mußte in Lincoln anrufen, er mußte mit Bannen sprechen und tun, was der DCI sagte. Er drehte sich um und ging zutiefst traurig den Weg zu Parkers Haus zurück.
    »Ah! Dann haben Sie sich das mit dem Ragout doch noch einmal überlegt!« Parker riß die Tür weit auf und winkte Jury mit einer Hand, in der er ein Glas Wein hielt, hinein.
    Jury lächelte. »Eigentlich brauche ich erst mal Ihr Telefon. Ich muß in Lincoln anrufen.« Parker führte ihn in ein kleines Zimmer, das angenehm verwohnt aussah. Es war die Bibliothek, nach den Büchern zu urteilen, die nicht nur die deckenhohen Regale füllten, sondern auch in Stapeln auf dem Boden standen. Als Parker sich umdrehte, um wegzugehen, hielt Jury ihn zurück. »Können Sie mir noch einmal die topografische Karte geben, die Sie mir beim letztenmal geliehen haben?«
    »Ja, natürlich.« Parker ging an ein Regal und kam mit der Karte in der Hand zurück. »Hier ist sie, bitte.« Dann hob er die Brauen und schaute Jury nachdenklich an. »Sie haben eine Idee. Stimmt's?«
    Jury lächelte. »Die erste nach langer, langer Zeit, das kann ich Ihnen sagen. Swinburne hat geholfen.«
    »Ach, wirklich?« Parker lachte. »Ich habe schon öfter festgestellt, daß Swinburne einem über schwierige Zeiten hinweghilft. Wir trinken übrigens einen exzellenten Medoc.« Er hob sein Glas. »Wollen Sie einen?«
    »Später, ja bitte.«
    »Ah, dann bleiben Sie. Gut, nehmen Sie sich Zeit.«
    Jury schob Papiere und Illustrierte beiseite
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