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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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(und er genoß ihre Verblüffung), wie klar und deutlich er sprach, obwohl er fast taub war. Erst vor zehn Jahren war der Unfall passiert, nach dem er allmählich Augenlicht und Gehör verloren hatte. Wenn ihm jemand direkt ins rechte Ohr trompetete, verstand er das Gesagte manchmal, aber mehr war nicht drin. Er schrie noch einmal.
    Dann spürte er die Anwesenheit eines anderen; er spürte, daß jemand da war, und fragte sich, ob dieser Jemand in seine Schreie einstimmte. Er sagte der Person, er sei taub und sie solle die Polizei holen, aber nichts rührte sich. Er wußte nicht, was los war. Er streckte die Hand aus und sagte: »Schreiben Sie in meine Hand!« Er fühlte einen Arm. »Schreiben Sie mir in die Hand!« sagte er noch einmal. Es war seine einzige Möglichkeit zu kommunizieren. Er spürte, wie der Finger der anderen Person ihn berührte, aber er fuhr zu schnell über seine Handfläche. Dämlicher Idiot! sagte er, außer sich vor Zorn. Wofür hielten sie ihn, für einen Scheißcomputer? »Langsamer, langsamer! Ich verstehe Sie sonst nicht!« schrie er.
    Der Finger malte die Buchstaben »B I N I C H«. Weiter nichts, nur emsiges Scharren. Er spürte, wie die andere Person sich bückte und wieder erhob, und brüllte mit größter Anstrengung: »Was? Sie verdammter Blödmann! >Bin ich< was? Was heißt >bin ich    Die andere Hand ergriff seine. Jetzt schrieb der Finger ganz langsam die Buchstaben »I C H«. Dann »B I N«. Dann »P O L«. Pause. Der bescheuerte Typ nahm sich weiß Gott Zeit, aber er war wenigstens so schlau, kein überflüssiges Wort zu verlieren. Dann »I Z E I«.
    Wütend - Milos war immer wütend, hatte oft diese stumme Wut gehabt, sogar schon vor dem Unfall - schrie er: »Verdammte Scheiße, was ist das? >I Z E I    Wieder nahm der andere seine Hand, und der Finger schrieb, diesmal schneller: »ICH BIN POLIZEI.«
    »Sie hirnrissiges Arschloch!« rief Milos. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Kapitel 2/I
    Ironischerweise hieß das Mädchen Beatrice. Und ihre Haut war blaß und ihr Haar rot. Aber nicht Rossetti-rot, nicht durchscheinend rot wie das Haar der Beata Beatrix an der Wand vor ihr.
    Selbst angesichts der unsterblichen Gemälde um sie herum konnten das Mädchen und der Junge ihre sterblichen Hände nicht voneinander lassen. Sie umklammerten und küßten sich ohne Rücksicht auf die Umstehenden, die sie leicht empört anschauten. Sie waren zu sehr ineinander versunken, um auf irgend jemand anderen in der Tate Gallery zu achten, so jung und auf sich selbst bezogen, daß es ihnen völlig gleichgültig war, ein Bild abzugeben, das einen Maler nicht die Bohne gereizt hätte. Purpurrotes Haar und schwarzes Leder (das Mädchen), kurz geschorenes braunes Haar mit einem purpurnen Streifen und schwarzes Leder (der Junge) legten die Vermutung nahe, daß sie Zwillinge waren; doch ihre tastenden Hände legten andere Vermutungen nahe.
    Man gewann allerdings nicht den Eindruck, daß sie sich in den Fängen irdischer oder überirdischer Leidenschaften befanden, eigentlich nicht einmal in denen der Fleischeslust. Ihre öffentliche Vorstellung diente allein dem Zweck, der Welt kundzutun, daß sie sich einen Scheißdreck um die Empfindungen anderer scherten, ob diese anderen nun herumspazierten, die wunderbaren Bilder betrachteten oder neben ihnen auf der Bank saßen.
    Eine Galeriebesucherin saß beinahe Schulter an Schulter mit dem Mädchen, das gerade seine Zunge in den Mund des Jungen schob und wenig überzeugend stöhnte. Als das Mädchen die Frau rechts hinter sich spürte, deren schwere Schulter an der eigenen, versuchte es die unwillkommene Bürde loszuwerden und rückte abrupt (die Zunge immer noch im Mund des Freundes) ein wenig zur Seite. Die Last aber wurde schwerer, die Frau rutschte langsam weiter den Rücken des Mädchens hinunter, bis das Mädchen sich umdrehte und sagte, sie solle sich verpissen, die blöde Kuh.
    Aber die Frau, mittleren Alters, überaus schick und geschmackvoll gekleidet, reagierte nicht. Sie wurde immer schwerer, als suche sie an der Schulter des Mädchens Halt.
    »He ...!« fing das Mädchen an und riß sich von dem Jungen los, um zwischen sich und der schlummernden Frau Platz zu schaffen. »Meine Da-me!« sagte sie mit schneidender Ungeduld.
    Aber die Dame antwortete nicht, sondern fiel langsam zur Seite auf die Bank.
    »Ach, du Scheiße «, flüsterte
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