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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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gehört habe, hat es Sie voll Stoff erwischt, Sir.« Wiggins schaute von seinem Taschenbuch hoch, als Jury ins Büro spaziert kam.
    »Voll Stoff erwischt?« Jury warf seinen Regenmantel in Richtung Garderobenständer und traf wieder daneben.
    Wiggins wedelte demonstrativ mit dem Buch.
    »Das sagt man in den Staaten, Sir. In diesen Büchern über das Siebenundachtzigste Revier sagen sie es dauernd. Es bezieht sich auf die, die Dienst haben, wenn ein Verbrechen angezeigt wird. Das sind die, die es >voll Stoff erwischte« Wiggins hatte die Wendung offenkundig liebgewonnen. »Das Siebenundachtzigste Revier. Von Ed Mc-Bain.«
    »Na, dann wäre mir doch lieber, es hätte Ed voll Stoff erwischt. Ich habe keinen Dienst; ich habe Urlaub. Wenn man es denn als solchen bezeichnen kann.«
    Aber der Sergeant bedauerte ihn nicht. Ihn hatte man schließlich gezwungen, in den Aufenthaltsraum der Kollegen umzuziehen, während sein und Jurys Büro frisch gestrichen wurde. Er war allergisch gegen Farbe. Das bedeutete, entweder den Zigarettenqualm und die Gerüche des Aufenthaltsraums zu ertragen oder die giftigen Dämpfe der Farbe. Wiggins’ Leben war permanent in Gefahr, es schien für immer und ewig zwischen Regen und Traufe, Scylla und Charybdis gefangen zu sein.
    »Er ist aber sehr gut, Sir.«
    Jury machte Schubladen auf und zu. »Wer?«
    »Ed McBain. Sehr authentischer Hintergrund. Es ist geradezu eine Erholung, mal etwas von einem Autor zu lesen, der weiß, wie die Polizei wirklich arbeitet, statt dieser Schreiberlinge, die sich aus den Fingern saugen, was ihnen paßt. Da kriegt man amerikanische Cops mal so richtig mit.«
    »Ich wußte nicht, daß Sie Krimis lesen.« Lautstark knallte Jury eine weitere Schublade zu.
    »Tu ich eigentlich auch nicht, außer denen hier. Ich habe einen gelesen, den fand ich ziemlich flott, und da habe ich mir noch einen besorgt.«
    Das Telefon klingelte; Jury riß es mit dem ersten Läuten hoch. Ein paar »Ja«, dann ließ er den Hörer fallen.
    »Der Chef?« fragte Wiggins, ohne auch nur von dem Buch aufzuschauen.
    Jury zuckte zusammen. »Nein. Fiona. Mich hat’s voll Stoff erwischt.«
    Wiggins kicherte, und Jury begab sich von dannen.
    Fiona Clingmore hob den handtuchumschlungenen Kopf von dem tragbaren Dampfbad und sagte: »Ich dachte, Sie hätten Urlaub. Eine Schande ist das.«
    »Wo ist er denn? Ich dachte, er wollte mich unbedingt sehen.«
    Sie deutete mit der Schulter ins Ungewisse. »Beim stellvertretenden Polizeipräsidenten. Von da aus hat er angerufen. Was machen Sie denn so an Ihren freien Tagen?«
    »Frei« nannte man das. »Bin während der letzten zehn
    Tage elfmal im Kino gewesen. Ich dachte, ich bringe es besser auf einen Schlag hinter mich.«
    »Warum fahren Sie nicht irgendwo hin, wo es sonnig und warm ist? Sie sollten Ferien an der Costa del Sol machen, nicht er .« Fiona klopfte sich eine astringierende Lotion aufs Gesicht und schielte in den Spiegel, um ihre vergrößerten Poren zu begutachten. »Wenn er das nächste Mal nach Spanien fährt, will er Cyril mitnehmen, sagt er. Er hat Infomaterial von diesen Tierschutzleuten in die Hände gekriegt und gesehen, was für skandalöse Sachen sie dort machen. Auf einem Bild hat so ein Spanier eine Katze an einem Bein gepackt und schwingt sie über sich im Kreis herum -können Sie sich das vorstellen?« Fiona schüttelte den Kopf, damit ihr Haar schön locker fiel, und zischte empört: »Na ja, ein Mann, der einem Kater was in den Thunfisch mischt ... Das arme, wehrlose Tier.« Sie holte ihren Kulturbeutel hervor.
    Jury sank in den Bürostuhl und beobachtete das arme, wehrlose Tier. Es tüftelte wahrscheinlich gerade eine thermodynamische Gleichung aus, mit deren Hilfe es sich auf den Trinkwasserbehälter heben konnte. Der schmale Vorsprung war zu winzig, als daß Cyril sich darauf hätte setzen können, mehr als der Pappbecher paßte nicht hin. Unter der Öffnung stand einer. Jury fragte sich, was für einen Anschlag auf Chief Superintendent Racer der Kater nun wieder plante, bei dem Wasser vonnöten war, denn Cyril saß beileibe nicht nur da und wartete, daß Fiona den Hahn aufdrehte und Blasen hochblubbern ließ. Eine Weile noch starrte er den Behälter an und stolzierte dann in Richtung Chefbüro.
    Fiona seufzte. »Gleich ist er bestimmt wieder am Faxgerät.« Sie machte aber keine Anstalten, ihn von dort wegzuholen.
    Jury nahm auf dem Stuhl vor Racers Schreibtisch Platz, dessen Drehstuhl gegenüber von Cyril belegt worden war.
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