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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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Farb-proben, haute wieder auf die Gegensprechanlage und fragte Fiona, ob sie den Stellvertretenden an der Strippe hätte. »Und die Frau ist eine Freundin von ihm.« (Wie behandeln eigentlich Sie Ihre Freunde, Jury?)
    »Hören Sie, angeblich bin ich in Urlaub. Die Cops, die es dort erwischt hat, erledigen das schon. Und zwar garantiert lieber selbst.« Wütend stand Jury auf. Normalerweise hatte er mehr Geduld. Neuerdings nicht mehr.
    »Machen Sie sich doch nicht gleich ins Hemd. Kein Mensch will etwas von Ihnen. Sie brauchen doch bloß mal bei der Frau vorbeizugehen und begütigend auf sie einzuwirken. Mehr nicht.«
    Der stellvertretende Polizeipräsident war nicht da. »Seine Aushilfssekretärin« - Fiona empfand immer eine große Genugtuung, wenn jemand in den höheren Rängen eine Aushilfskraft hatte - »möchte wissen, ob Sie das Fax bekommen haben?«
    »Habe ich das, Miss Clingmore? Woher soll ich das wissen, wenn ich nicht im Büro bin?« Racer stierte das Faxgerät an. »Und wo, zum Teufel, sind meine Flugtickets, Miss
    Clingmore? Ich hatte sie hier unter meine Schreibtischauflage geklemmt!«
    Racers Urlaub hatte selbstverständlich Priorität, allererste.
    Jury meinte zu hören, wie Fiona ein paarmal hintereinander Kaugummiblasen platzen ließ. Es knallte wie ganz feine Pistolenschüsse. »Sie wollten das Faxgerät ja in Ihrem Büro haben, oder? Vielleicht ist es auf den Boden gefallen.«
    »Auf dem Boden habe ich nachgesehen.«
    »Also sie sagt, sie hat’s geschickt, mehr weiß ich auch nicht.«
    »Hören Sie auf, meine Zeit mit Streitereien zu vergeuden, und rufen Sie sie noch einmal an. Verflucht!« Racer stellte die Gegensprechanlage aus. »Mir ist unbegreiflich, wie der Sauhaufen hier funktionieren soll. Das ganze Zivilpersonal kann ja nicht mal bis drei zählen. Der widerliche Kater wäre eine bessere Tippse.«
    Das Faxgerät rülpste und stotterte dann seine Nachricht heraus. Racer riß sie ab, las und sagte: »SW3, Jury. Warminster Road. Belgravia. Sie heißt Cray.«
Kapitel 5
    Sie hatte beide Hände auf die Messingtürgriffe gelegt, öffnete die Doppeltür zu dem eleganten Salon und legte einen Auftritt hin, der bei jeder anderen Frau theatralisch gewirkt hätte. Lady Cray.
    Und sie sah genauso aus wie damals, dachte Jury, als er sie das letzte Mal im Lake District gesehen hatte. Das war bei der öffentlichen Sitzung zur Feststellung der Todesursache von Helen Viner gewesen. Vielleicht trug Lady Cray sogar dasselbe maßgeschneiderte, silbergraue Wolle-SeidenKostüm, genau passend zu ihren Augen, Augen von jener Kristallfarbe, jenem schwer definierbaren Grau, das Water-ford-Blau heißt. Der Januarnachmittag war mit Lady Cray im Bunde. Fahles, silbernes Licht ergoß sich dekorativ über die blaßblauen chinesischen Teppiche und ließ die Schale aus Waterfordkristall auf dem kleinen Rosenholztisch funkeln; es malte Streifen auf die beiden Sofas und die Polstersessel, die mit einem blaß blaugrauen, schimmernden Stoff bezogen waren.
    »Superintendent, ich bin außer mir vor Freude, daß Sie da sind!« Sie strahlte Jury und Wiggins an.
    Wenn es stimmte, daß auch der traurigste Fall erfreuliche Ereignisse mit sich brachte, dann war Lady Cray ein solches Ereignis. Er schüttelte ihr die Hand, und als sie ihnen Tee oder Champagner - »oder beides« - anbot, nahm er dankend an.
    Jury und Wiggins versanken in Sesseln, in denen man wie auf Watte gebettet saß, und Lady Cray sagte: »Ich weiß, daß Sie nicht hier sind, um über alte Zeiten zu reden, aber mein Gott, was waren das für Zeiten!«
    Nein, dachte Jury, gute alte Zeiten waren es nicht. Er sah Jane Holdsworth vor sich, nicht, wie er sie zuletzt, sondern wie er sie zuerst gesehen hatte, als sie in einem weißen Regenmantel in der Camden Passage stand und sich an einem regennassen Antiquitätenstand etwas anschaute. Sie hatte ein Kleidungsstück hochgehalten, einen bernsteinfarbenen Unterrock oder so etwas, der genau zu ihrer Haarfarbe paßte. Einen Unterrock - oder so etwas? Natürlich erinnerte er sich ganz genau an das Neglige, das sie von einer Stange erlesener alter Klamotten genommen hatte. Sie hatte sich auch eine Brosche an den Mantel gehalten und deren Farbe und Form ausprobiert. Die Brosche war aus Bernstein gewesen. Die Szene schien ein ganzes Leben zurückzuliegen und entfaltete sich vor seinem inneren Auge mit quälender Langsamkeit, als wolle sie ihn warnen, daß er sich nun, da er sich überhaupt erinnerte, auf jedes Glitzern der
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