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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Theo Vermont
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und versuche gleichgültig zu klingen.
    "Peter, bitte! Ich will dich nicht verlieren! Wenn das bedeutet, dass ich Margit jetzt in diesem Moment verlassen muss, dann soll es so sein!", fleht er mich an. Doch ich weiß, dass dies nicht die Wahrheit ist, zu oft hat er mir in der Vergangenheit bereits versprochen, sich scheiden zu lassen, oder sich zumindest zu trennen.
    "Musst du nicht! Bitte lass mich einfach!", sage ich, drehe mich um und will mich wieder ins Auto setzen, doch abermals hält er mich zurück.
    "Wenn es sein muss, warte ich jeden Tag vor deiner Türe!", droht er und tritt dann einen Schritt zurück.
    "Nein, das wirst du nicht tun!", meine ich selbstbewusst.
    "Du weißt genauso gut wie ich, dass es zwischen uns vorbei ist! Deine Handlungen haben mir gezeigt, wer du wirklich bist! Ja, das zwischen uns war einmalig schön, aber es ist auch gut, dass es aus ist. Das hier sagst du doch nur, um dein schlechtes Gewissen zu befriedigen!", sage ich und komme in Fahrt.
    "Klar, ich liebe dich! Und es wird noch eine Weile dauern, bis dieses Gefühl abklingt, aber bis dahin möchte ich dich nicht sehen! Bitte respektiere das, meinetwegen, deinetwegen... Unseretwegen!", ich steige ins Auto ein und starte den Motor. Dieses Mal hält mich Alexander nicht auf und lässt mich fahren.
     

Dauer-high-Zustand
     
    "Selina malt, sie malt, wie sie noch nie zuvor gemalt hat. Sie hat sich in ihren vier Wänden eingeschlossen, bringt ihre Ideen zu Papier, experimentiert mit Farben und Leinwand, mischt Farbkombinationen zusammen und hat die Welt um sich herum vergessen. Stunden, Tage Wochen, sogar Monate vergehen, ohne, dass sie aufhört, ihren Gefühlen Ausdruck zu geben, Farbbomben auf die weißen Leinwände in ihrem Atelier zu werfen. Bestimmt hat sie zehn Kilo abgenommen, sieht sie aus wie ein Strich in der Landschaft, trotzdem war sie noch nie zuvor so zufrieden mit sich selbst, hat niemals in der Vergangenheit eine ähnlich positive Ausstrahlung gehabt. Sie braucht keinen Joint, denn sie ist durchgehend high. Nach dem Leben, nach neuen Erfahrungen, der Erinnerung", kurz blicke ich auf und schaue in die sechzig Gesichter die aufgefädelt wie in einer großen Schulklasse vor mir sitzen. Manche haben ihre Stirn in Falten gelegt, andere ihre Augen geschlossen. Aber sie alle hören mir gespannt zu.
    "Alexander? Den trifft sie lange nicht mehr. Eine weitere Droge von der sie geschafft hat wegzukommen. Sie braucht ihn nicht, denn sie hat sich selbst. Nun, da sie in Wien lebt, ihre Telefonnummer und E-Mail Adressen gewechselt hat, muss sie auch nicht mehr die unbeantworteten Anrufe des Ex-Geliebten zählen, der sie mit Nachrichten bis zuletzt bombardiert hat. Doch Selina ist stärker, als sie es von sich selbst gedacht hat", ich pausiere kurz, um noch einmal in die Menge zu schauen. Im hinteren linken Eck, wo der Eingang des Saales ist, sehe ich, dass Robert steht und mir zuhört. Ich schenke ihm ein dankbares Lächeln. Das Gute liegt oft so nah.
    "Wenn Selina etwas in den letzten Jahren gelernt hat, wenn auch sehr schmerzhaft, dann, dass man das Leben nehmen muss, wie es ist. Man kann nicht davor davon laufen, sondern muss versuchen, es bestmöglich für einen selbst bewältigen. Sie hat erkannt, dass die Wirklichkeit, in der sie sich befindet, lebenswert ist, dass sie nicht vor der Realität flüchten darf, sondern alle Überraschungen, die sie mit sich bringt, genießen muss. Sie hat angefangen zu leben!", fahre ich fort. Irgendjemand räuspert sich leise. Ich befinde mich auf einem Podest, vom Publikum nur wenige Meter getrennt.
    "Ja, Selina flüchtet nicht mehr, sie lebt!", ich halte kurz inne, dann schließe ich das Buch, das vor mir liegt, langsam zu. Gemächlich kommt Bewegung in den Saal, die ersten beginnen zu Klatschen, kurz darauf steigen auch die Restlichen ein. Einige rufen mir sogar zu. Ich stehe auf und verbeuge mich einige Male. Wie glücklich ich bin! Kurze Augenblicke später, verschwinde ich hinter dem Vorhang, der sich hinter mir befindet und atme ein paar Mal tief durch. Dann trete ich wieder nach vorne. Nun kommt der noch schwierigere Teil, denn ich muss die Fragen des Publikums beantworten.
    Als ich in die Menge blicke, beginnt ein kalter Schauer über meinen Rücken zu laufen. Kein unangenehmer, denn ich erkenne, dass ich es geschafft habe, dorthin zu kommen, wo ich immer hin wollte. Endlich habe ich es geschafft, an meinen anfänglichen Erfolg anzuknüpfen, mich wieder in die Riege der Schriftsteller
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