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Freiheit für Cyador

Titel: Freiheit für Cyador
Autoren: L. E. Modesitt
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die Sonne höher und höher steigt, bis Lorn und die Lanzenkämpfer schließlich im Sonnenlicht reiten und nicht mehr im Schatten.
    Am Vormittag ist Lorn bereits zum Gähnen zu Mute. Nach zwei Tagesritten entlang der Mauer und den vielen Stunden, die er abends und nachts mit dem Studium des Patrouillenhandbuchs zugebracht hat, tränen ihm die Augen, wann immer er auf das Chaos bückt und die weißen Granitmauern, die den Verwunschenen Wald einsperren. Doch genau das wird seine Hauptaufgabe sein in den kommenden Jahren.
    Lorn wirft einen weiteren Blick auf die Mauer und spürt die Chaos-Netze, die die dunkle Ordnung zurückhalten.
    »Ser?«
    Lorn folgt dem Ruf und dem Fingerzeig eines jungen Lanzenkämpfers. Mitten im toten Boden, etwa hundert Ellen westlich der inneren Straße, wächst aus dem versalzenen Boden ein grüner Spross: ein Trieb mit einer Höhe von fast drei Ellen, der sich bereits anschickt, die ersten Äste auszubilden.
    Lorn vermag den Puls der dunklen Ordnung in dem Grün zu fühlen, und es kommt ihm beinahe so vor, als könne er dem Schössling beim Wachsen zusehen. »Lanzen bereithalten«, befiehlt er Kusyl.
    »Erste Einheit! Aufstellen! Lanzen bereithalten!«
    »Lasst sie vorrücken und feuern.«
    »Die ersten zwei! Vorrücken und feuern!«
    Lorn beobachtet den Vorstoß der ersten beiden Lanzenkämpfer. Sie reiten auf den grünen Spross zu, bleiben zehn Ellen davor stehen, zielen und feuern. Weißlich goldenes Chaos ergießt sich über das Grün, doch nur wenig geschieht. Die Pflanze, die den Pferden fast bis zur Schulter reicht, zittert gerade mal ein wenig.
    »Die nächsten zwei!«
    Während das erste Paar die Pferde herumnimmt und zurück ans Ende der Reihe reitet, kommen die nächsten zwei Lanzenkämpfer nach vorn und wiederholen den Vorgang.
    Lorn sieht zu. Sechs Lanzenkämpfer sind vonnöten, erst dann wird das Gewächs langsam schwarz und fällt in sich zusammen; vier weitere Schüsse aus den Feuerlanzen sind notwendig, um das Grün vollends zu vernichten.
    »Ser! Es scheint zerstört zu sein«, ruft Kusyl.
    »Gut. Lass die Einheit Aufstellung nehmen, während ich die Meldung an die Ingenieure schreibe.«
    »Ja, Ser.«
    Lorn lenkt den Wallach zur Mauer und hält ihn etwa fünf Ellen vor dem schimmernden Granit neben einer der vor Chaos pulsierenden Kristallsperren an. Dort nimmt er den Fettstift heraus und notiert die Sperrennummer auf der weißen Kurierschriftrolle: ›Westsperre 163 Süd, 150 Ellen unmittelbar westlich der inneren Straße. Ein Schössling, drei Ellen hoch. Zerstört durch Beschuss mit Feuerlanzen.‹ Dann unterzeichnet er das Schreiben, rollt es auf und reitet damit zurück zur Einheit, die bereits wieder Aufstellung genommen hat. Lorn macht auch für sich eine Notiz über den Standort.
    »Ser?«, fragt der Truppenführer.
    »Kusyl, hier ist die Nachricht für die Spiegelingenieure in Westend. Schick einen Lanzenkämpfer voraus, um sie zu überbringen.«
    »Ja, Ser.« Der Truppenführer überblickt die Reihen. »Prytr! Vortreten!«
    Ein kleiner, drahtiger Lanzenkämpfer reitet an der Kolonne vorbei. »Ja, Ser?«
    Kusyl reicht ihm die Schriftrolle. »Du übernimmst den Kurierdienst. Bring die Schriftrolle des Hauptmanns auf kürzestem Weg zum diensthabenden Spiegelingenieur in Westend.«
    »Ja, Ser.«
    Während Prytr davonreitet und die Erste Einheit den Patrouillengang an der Mauer und am Ödland entlang wieder aufnimmt, wirft Lorn einen Blick zurück auf das verbleibende Chaos, das über der Stelle schwebt, an der gerade massive Schwarze Ordnung und gebündeltes, weißgoldenes Chaos aufeinander getroffen sind. Die Feuerlanzen haben den Schössling zerstört und den Stamm mit genügend Chaos gefüllt, um das Wurzelwerk zu zerstören, soweit Lorn das fühlen kann. Doch das wird er niemandem erzählen. Es waren zehn volle Lanzenladungen erforderlich, um dieses schmächtige grüne Gewächs zu zerstören.
    Unter der für die Jahreszeit zu warmen Wintersonne heftet sich sein Blick auf einen Punkt in weiter Ferne, wo sich die weiß schimmernde Sperrenmauer vereinigt mit der dunklen Masse des Verwunschenen Waldes und dem Horizont. Etwa zwanzig Meilen weiter befindet sich der nächste Chaos-Turm; der Chaos-Turm, der die Hälfte ihrer Wegstrecke markierte, liegt dreißig Meilen hinter ihnen.
    Die Chaos-Türme in ganz Cyador werden schwächer. Wie lange werden sie noch erhalten bleiben, und was wird den Verwunschenen Wald zurückhalten, wenn sie erst einmal versagen? Lorn schnaubt.
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