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Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Autoren: Johann Löwen
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kleinen Holzhäusern übergingen, oft nett verziert, aber sehr ärmlich und schmutzig anmutend. Insgesamt riefen diese Häuser ein ungemütliches Empfinden in Kepler hervor und er beeilte sich, die Gegend zu verlassen.
    Er ging zurück zur Sowetskaja, die in eine recht malerische alte Uralbrücke mündete. Sie war nur für Fußgänger freigegeben, und Kepler lief darüber nach Asien, das auf dem östlichen Ufer des Urals lag. Zurück in Europa, ging er an der Promenade entlang, auf der eine Haubitze und ein T-34-Panzer ausgestellt waren, dann an dem burgähnlichen Haus des Stadtmuseums vorbei in die kleinen Straßen. Dort verlor er sich bald im Wirrwarr der Gassen. Als er zu einer größeren Straße fand, führte sie ihn zu einem Marktplatz.
    Der mutete Kepler seltsam an, er verband irgendwie einen eur opäischen Markt mit einem östlichen Basar, unter dem starken Akzent der Bauten aus der kommunistischen Vergangenheit, die von der Moderne übertüncht wurden.
    Kepler überlegte, wo er einen Kaffee besorgen könnte und ob er etwas essen wollte, als er einen zaghaften Zug am Ärmel seines leichten Mantels spü rte.
    "Junger Mann, kaufen Sie für Ihre Frau ein Flaumtuch", sagte eine zitternde weibliche Stimme.
    Kepler blieb stehen und drehte den Kopf zur Seite. Eine alte , gebeugte Frau, die ihm kaum über die Schulter reichte, hielt ihn zögernd fest. Es herrschte gerade ein milder Altweibersommer, aber die Frau hatte einen dicken alten verwaschenen Wattemantel an und ein altes Wolltuch auf dem Kopf, unter dem graue Strähnen hervorschauten. Ihr Gesicht, genauso wie die Haut ihrer Hände, war runzlig wie ein alter Pfirsich, ihre Augen waren von sehr hellem, fast schon farblosem Blau. Die alte Frau war eine typische Babuschka, wie hier respektvoll fast jede alte Frau genannt wurde. Der Ausdruck bedeutete dasselbe wie das Wort Oma im Deutschen. Die Frau wirkte sehr müde, und Kepler hatte das Gefühl, dass sie ihn in Verzweiflung angesprochen hatte. In den Händen hielt die alte Frau ein filigran gearbeitetes graues Tuch aus Ziegenflaum. Kepler hatte solche Tücher, Schals und Palantine in einem Laden gesehen. Sie wurden nur in der Gegend von Orenburg hergestellt, aus dem Flaum von Ziegen, die es nur hier gab. Im Laden hatte die junge Verkäuferin ihm die Besonderheit dieser Erzeugnisse gezeigt. Ein echtes Orenburger Flaumtuch ließ sich mühelos durch einen Ehering ziehen und passte in ein Gänseei. Es war von Hand gearbeitet, dünn wie Spinnweben, aber sehr widerstandsfähig, und jedes hatte ein einmaliges Ajour-Muster aus durchbrochenen Maschen. Das Tuch wog fast nichts, hielt den Träger warm und war zu jeder Kleidung tragbar. Die Verkäuferin hatte erklärt, dass ein Tuch bis zu einem Monat Arbeit in Anspruch nahm. Die Tücher waren beeindruckend, aber Kepler hatte keins gekauft, weil er nicht wusste, für wen. Nun hielt ihm die Babuschka ein solches Tuch hin, und ihre Augen baten, es zu kaufen. Kepler ahnte, warum. Er sah aus, als ob er es sich leisten konnte.
    Und sie, dass sie das Geld wir klich brauchte.
    "Was soll es denn kosten, Babuschka?"
    "Dreitausendfünfhundert."
    Der Blick ihrer Augen zeigte, dass sie bereit war zu verhandeln, als ob sie etwas Unverschämtes verlangt hätte.
    Kepler fasste das Tuch an. Es war sehr dünn und sehr weich.
    "In den Läden gibt es solche für tausend mehr", sagte er übe rrascht.
    " Dreitausend", meinte die alte Frau kraftlos.
    "Nein, warum so billig?"
    Die alte Frau sah ihn ihrerseits überrascht an.
    "Ich bin kein Laden."
    "Wer hat es genäht?"
    "Ge häkelt", korrigierte die Frau. "Ich."
    Kepler überlegte, wieviele Rubel er dabei hatte.
    "Gibt es in der Nähe eine Bank?", fragte er. "Ich habe nicht soviel Geld mit."
    Die Augen der Frau wurden wieder stumpf. Sie zeigte über die Straße.
    "Ja, da drüben ."
    " Begleiten Sie mich?", bat Kepler. "Nicht, dass Sie das Tuch verkaufen, solange ich das Geld hole."
    "Sie sind nicht von hier?"
    "Nein."
    "Sie sprechen auch nicht so . Wollen Sie das Tuch wirklich haben?"
    "Ja , will ich", bekräftigte Kepler. "Abgemacht?"
    Die alte Frau ging los, nachdem sie das Tuch vorsichtig in eine Plastiktüte ve rstaut hatte. Sie bewegte sich langsam, jeder Schritt schien ihr ziemlich schwer zu fallen. Als Kepler die Bank sah, hielt er an.
    "Babuschka, wollen Sie hier auf mich warten?"
    Die Frau sah ihn zweifelnd an, dann nickte sie ergeben.
    "Kommen Sie auch wirklich wieder?"
    "Sofort", beteuerte Kepler, lächelte sie an und lief über die
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