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Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Autoren: Johann Löwen
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Straße.
    Er hob zehntausend Rubel ab und lief zurück.
    Das kleine Figürchen vor der Marktmauer auf der anderen Str aßenseite wirkte einsam und gebrechlich. Die alte Frau lächelte erleichtert, als sie Kepler kommen sah. Er reichte ihr viereinhalbtausend Rubel. Die alte Frau gab ihm die Tüte mit dem Tuch, zählte das Geld nach und hielt ihm anderthalbtausend zurück.
    "Ne, Babuschka ", wehrte Kepler ab. "Im Laden kosten die Dinger fünf."
    " Wir haben uns auf drei geeinigt", sagte die Frau mit fester Selbstachtung.
    Kepler nahm das Geld, steckte tausend Rubel in die Tasche und hielt der Frau die restlichen fünfhundert hin.
    "Sie haben zuerst dreieinhalb gesagt."
    N ach kurzem Zögern nahm sie das Geld.
    "Danke ."
    "Ich danke Ihnen ." Kepler sah sie aufmerksam an. "Babuschka, wann haben Sie zum letzten Mal etwas Warmes gegessen?"
    Die Frau murmelte etwas, während sie ihn erst maßlos überrascht an sah und dann zur Seite blickte.
    "Ich habe Hunger", sagte er. "Darf ich Sie auf ein paar Beljaschi einladen?"
    Die Frau sch üttelte kaum merklich den Kopf.
    "Kommen Sie", bat er behutsam. "Ich habe eben tausend Rubel gespart. Und alleine essen macht keinen Spaß." Er nahm die Frau vorsichtig am Arm. "Wo gibt es hier gute Beljaschi?"
    "Die alte Ksenja macht gute und billige", antwortete sie zögernd.
    "Toll", meinte Kepler. "Ich sabbere schon."
    Das entlockte der Frau ein leises Lächeln und sie entspannte sich etwas.
    An einem Stand im Markt kaufte Kepler zehn frittierte Teigtaschen mit Hac kfleischfüllung. Der Stand schloss gerade, deswegen bedauerte Ksenja, keinen Tee mehr anbieten zu können.
    Nachdem Kepler die Beljaschi in einer Tüte gereicht bekam und sie bezahlt hatte, blickte er sich um.
    "Wo kriegen wir Tee her?", fragte er die alte Frau.
    "Wen n Sie wollen", begann sie zögernd, "können wir zu mir nach Hause. Ich habe indischen Tee."
    " Mit Vergnügen", erwiderte Kepler. "Wir müssen uns nur beeilen, damit die Beljaschi warm bleiben."
    "Der Trolleybus müsste bald kommen", meinte die Frau und zeigte auf die andere Straßenseite. "Wir müssen zu der Haltestelle da."
    Kepler hatte überhaupt keine Lust, mit einem antik anmutenden, überfüllten Oberleitungsbus zu fahren und dabei die Beljaschi platt drücken zu lassen.
    "Babuschka, wir nehmen ein Taxi", bestimmte er. "Von den tausend bleiben immer noch reichlich über", sagte er, bevor die Frau Einwände erhob, nahm ihren Arm und zerrte sie vorsichtig zu einem gelben GAZ Wolga.
    D ie Fahrt mit dem Taxi dauerte knapp zehn Minuten, danach waren sie in der Tschkalow-Straße angekommen. Sie hieß nach einem berühmten sowjetischen Fliegerass, sogar die ganze Stadt hatte unter Stalin mal so geheißen. An einem neunstöckigen Plattenbau mit der Nummer dreiundzwanzig hielt das Auto an.
    Kepler bezahlte, während die alte Frau ausstieg, danach führte sie ihn zum er sten von sechs Eingängen des Hauses. Die alte, ehemals grüne Holztür hing schief in den Angeln, im Eingang roch es nach Urin und der Fahrstuhl funktionierte nicht. Die Frau erklomm schwer atmend die Stufen in den dritten Stock nach russischer Zählweise, hier zählte das Erdgeschoss als eins. Im dunklen Treppenhaus – das Licht schien auch nicht zu funktionieren – ging die alte Frau langsam nach links und blieb vor einer schmalen Tür stehen. Umständlich suchte sie die Schlüssel und brauchte lange, bis sie sie fand und die Tür öffnete.
    "Och, alt bin ich geworden", sagte sie , seltsamerweise mit einem schuldvollen Lächeln. "Kommen Sie bitte rein."
    Die kleine Wohnung bestand aus einem Zimmer, einer winzigen Küche und einem Bad. Genauso wie das ganze Haus war auch die Einrichtung der Wo hnung betagt. Die Möbel, der Teppich, die Tapeten, die Gardinen und die wenigen Kleidungsstücke, die im Flur an der Wand hingen, waren ordentlich und sauber, aber alt und verschlissen. Kepler ging in die Küche, nachdem die alte Frau ihm energisch verboten hatte, die Schuhe auszuziehen. Dort stand an der Wand ein schmaler wackliger Tisch, statt einer Tischdecke lagen darauf alte Zeitungen. Der kleine Gasherd schien aus den Siebzigern zu stammen, genauso wie der winzige Kühlschrank, der brummend und vibrierend in der Ecke stand.
    Die alte Frau kam hinter Ke pler in die Küche. Sie hatte ihren Mantel und das Kopftuch abgelegt und trug ein altes Flanellkleid unbestimmter Farbe.
    "Nicht viel, aber eigenes", sagte sie mit einem Blick auf Kepler, der sich u msah. "Gehen Sie sich die Hände waschen." Sie nahm ihm
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