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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seine Freunde, und er hatte nicht das Recht, ihnen unnötig wehzutun.
    Statt irgendetwas zu sagen, stand er auf und suchte aus eng zusammengekniffenen Augen den Himmel ab. Er wusste nicht, warum er das tat, aber er spürte, dass es wichtig war.
    Das Firmament war klar und völlig wolkenlos, als hätte es den Sturm niemals gegeben, und wie oft nach einem schweren Unwetter hatte sich eine tiefe Stille über das Land gelegt, in der alle Laute sonderbar gedämpft klangen. Die Sonne stand schon tief und würde bald untergehen, und dann würde es hier grausam kalt werden. Im Moment erschien ihr Atem noch als grauer Dampf vor ihren Gesichtern, wenn sie sprachen, doch wenn die Sonne untergegangen war, würde er in ihren Kehlen zu Eis erstarren. Er konnte nicht sagen, woher dieses Wissen kam, aber es war zu sicher, um es auch nur in Zweifel zu ziehen.
    Er deutete auf das Mädchen. »Wie geht es ihr?«
    »Sie wird es überleben.« Die Worte kamen hart, viel zu laut und hatten etwas von einem Vorwurf. Er verstand, warum sie das so sagte. Sie wird es überleben. Aber sie wird nie wieder ganz dieselbe sein. Das Mädchen tat ihm leid.
    »Du hast uns geholfen«, sagte die Frau, während sie neben ihrem Mann niederkniete und die Hände nach ihm ausstreckte, ohne ihn indes zu berühren. »Dafür … danke ich dir.«
    Ihm entging nicht, wie schwer es ihr fiel, die Worte auszusprechen; als hätte sie schon vor sehr langer Zeit verlernt, irgendeinem Menschen zu vertrauen, der nicht von ihrem Fleisch war.
    »Ich habe doch gar nichts getan«, antwortete er.
    Die blonde Frau maß ihn mit einem sonderbaren Blick, und gerade, als er zu der Überzeugung gelangt war, dass das die einzige Antwort war, die er bekommen würde, sagte sie mit noch seltsamerer Betonung: »Und das ist schon mehr, als so mancher an deiner Stelle getan hätte.«
    Es dauerte einen Moment, bis er überhaupt begriff, wassie mit diesen Worten meinte, und dann fiel ihm nichts ein, was er darauf erwidern sollte. Verlegenheit machte sich in ihm breit.
    »Mein Name ist Urd«, fuhr sie fort. »Das da sind Lasse, mein Mann, und Lif, mein Sohn. Wie ist dein Name?«
    »Urd?«, erwiderte er. »Das ist … ein sehr schöner Name. Ein wenig ungewöhnlich.« Da er so gut wie nichts wusste, wusste er auch nicht, was gewöhnlich oder ungewöhnlich war, aber es kam ihm so vor.
    »Mein Vater war ein sehr gläubiger Mann, aber es ist ihm anscheinend nie in den Sinn gekommen, dass die Götter es vielleicht nicht schätzen, wenn man sich mit ihren Namen schmückt.« Sie lächelte, kurz und bitter. »Aber vielleicht sollte ich ja dankbar sein, dass er mich nicht Skuld genannt hat.« Den Umstand, dass er die Frage nach seinem Namen überging, quittierte sie mit einem kurzen Aufflackern von Misstrauen in ihren Augen, ansonsten aber gar nicht.
    Unbehagliches Schweigen begann sich breitzumachen, während sie daran ging, Mantel und Wams ihres Mannes aufzuknöpfen und ihn zu untersuchen. Sie stellte sich erstaunlich geschickt dabei an, was ihn jetzt fast sicher sein ließ, dass sie eine Heilerin oder etwas Ähnliches sein musste, wirkte zugleich aber auch auf sonderbare Weise hilflos. Angesichts der schrecklichen Verletzungen, die zum Vorschein kamen, als sie sein grobes Wollhemd hochschob, konnte er das auch verstehen. Mindestens eine seiner Rippen war gebrochen und ragte wie eine zersplitterte weiße Dolchklinge aus seiner Brust, nur ein kleines Stück unterhalb seines Herzens.
    Sein ganzer Brustkorb war ein einziger blauer Fleck, was bedeutete, dass das meiste Blut nach innen floss, und bei jedem einzelnen rasselnden Atemzug erschienen rosafarbene schaumige Bläschen auf seinen Lippen.
    Er stirbt , dachte er. Eigentlich grenzte es schon an ein Wunder, dass der Mann überhaupt noch lebte.
    »Vater?«, flüsterte Lif.
    Urd hob gebieterisch die Hand, und der Blick, mit dem sieden Jungen maß, brachte ihn dazu, die Tränen nieder zu kämpfen.
    »Geh und such nach unseren Sachen, Lif«, sagte sie. »Wir brauchen Kleidung und Essen. Wenn es wieder zu schneien beginnt, finden wir nichts davon wieder.«
    Der Junge sah seine Mutter noch einen Atemzug lang verstockt an, stand aber dann gehorsam auf und begann die überall im Schnee verteilte Ladung des Wagens zusammenzusuchen.
    Er verspürte einen neuen, dünnen Stich in der Brust. Lasse, der Vater des Jungen, starb, und Lif wusste das. Er war weder dumm noch blind. Warum gestattete sie ihm nicht, um seinen Vater zu weinen? War sie eine so harte Frau,
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