Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
oder stammte sie aus einem so harten Volk?
    »Ich kann nichts mehr für ihn tun«, sagte sie. »Außer seine Schmerzen zu lindern.«
    Und erst jetzt begriff er, warum sie ihren Sohn weggeschickt hatte. Ihre Hand glitt unter den Mantel und kam mit einem schmalen Dolch wieder zum Vorschein.
    »Warte«, sagte er.
    Urd hielt zwar in der Bewegung inne und sah ihn an, aber nun kehrte das Misstrauen endgültig in ihre Augen zurück, und obwohl sie keinen Finger rührte, schien sie das Messer plötzlich nicht mehr nur zu halten, um ihrem Mann einen letzten Liebesdienst zu erweisen.
    Er schüttelte den Gedanken ab, beugte sich zu dem Sterbenden und lauschte in ihn hinein. Da war ein dumpfer Schmerz, weit weniger schlimm, als er erwartet hatte, und darunter, rasch stärker werdend, etwas Anderes, Dunkles und Verzehrendes.
    »Was tust du da?«, fragte Urd.
    Er wusste es nicht, doch er wusste, dass es das Richtige war. Nahezu ohne einen bewussten Willensakt griff er nach dieser Dunkelheit, drängte sie zurück und begann Worte zu flüstern, die er nicht verstand, und das in einer Sprache, die er niemals zuvor gehört hatte.
    Etwas … geschah . Er konnte nicht sagen, was, aber es war aufregend und Furcht einflößend zugleich, neu und uralt wie das Ringen unsichtbarer Schatten in der Dunkelheit, vertraut und zugleich so fremd, dass der menschlichen Sprache die Worte fehlten, es zu beschreiben.
    Er wusste nicht, wie lange es dauerte, doch als es vorbei war, war er in Schweiß gebadet, der eisig auf seiner Haut trocknete, und fror erbärmlich, und er fühlte sich so ausgelaugt, als hätte er mit Riesen gerungen.
    Urd starrte ihn an. Ihre Augen waren groß, und ihre Hand hielt das Messer jetzt so fest umklammert, dass das Blut aus ihr wich und die Haut fast durchsichtig wirkte.
    »Was … hast du getan?«
    »Das Richtige.« Er stand auf, machte einen Schritt zur Seite und taumelte, als ihn die Kräfte zu verlassen drohten. Er hatte mit Riesen gerungen, und er war ganz und gar nicht sicher, wer diesen Kampf gewonnen hatte.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er schwach. »Bevor die Sonne untergeht. Wenn uns die Nacht im Freien überrascht, dann sterbt ihr.« Ihr. Er hatte dieses Wort nicht von ungefähr gewählt, und auch das entging Urd keineswegs. Sie starrte ihn weiter aus großen Augen an, in denen etwas geschrieben stand, das schlimmer war als bloße Furcht.
    »Müssen wir Angst vor dir haben?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Er wusste nicht, ob diese Antwort der Wahrheit entsprach, aber es war die einzige, die er hatte. Urd starrte ihn noch einen endlosen Atemzug lang an, bevor sie das Messer sinken ließ und mit einer müden Bewegung aufstand.
    »Wir sind an einem Hof vorbeigekommen«, sagte sie, »kurz bevor der Sturm losgebrochen ist.« Ihre Stimme klang matt und hölzern, als müsse sie nicht nur die Erinnerung herbeizwingen, sondern gleichsam jedes einzelne Wort. »Aber wir sind schnell gefahren, und ich bin nicht einmal ganz sicher, ob ich den Weg zurück finde.«
    »Dann müssen wir in die Berge«, entschied er. »Vielleicht finden wir eine Höhle oder einen Felsspalt, der uns Schutz bietet. Morgen früh versuchen wir dann, diesen Hof zu finden.« Das klang wenig überzeugend, selbst in seinen eigenen Ohren. Urd blickte auch entsprechend zweifelnd, erst in sein Gesicht, dann auf ihren bewusstlosen Mann hinab. Sie wirkte verwirrt, als begriffe sie nicht ganz, wovon er überhaupt sprach.
    »Ich werde ihn tragen«, sagte er. »Aber du und Lif müsst euch um das Mädchen kümmern.«
    Der Junge kam zurück, mit allerlei Krimskrams beladen, den er im Schnee gefunden hatte und von dem sie das allermeiste nicht gebrauchen konnten, aber auch einen Sack voller Lebensmittel hinter sich herschleifend. »Rauch«, sagte er mit einer Kopfbewegung hinter sich. »Im Süden.«
    »Rauch?«, wiederholte Urd.
    »Ich habe Rauch gesehen«, bestätigte Lif. »Nur ganz kurz, aber ich habe ihn gesehen. Vielleicht sind dort Menschen.«
    Für einen Moment sahen sie alle konzentriert in die bezeichnete Richtung. Der Himmel über dem verschneiten Wald war immer noch von einem geradezu unnatürlich strahlenden Blau und vollkommen leergefegt. Nicht die geringste Spur einer Rauchfahne war zu sehen.
    »Und du bist ganz sicher?«
    »Ja«, antwortete Lif. »Es war Rauch. Vielleicht ein Feuer. Vielleicht gibt es ja dort ein Haus.«
    Er glaubte dem Jungen – und selbst wenn er es nicht getan hätte: Welche Chancen hatten sie in den Bergen? Selbst ihn hatte es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher