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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auch? Schließlich war er ein vollkommen Fremder für sie. Sie wäre dumm, ihm zu vertrauen.
    »Sind dort unten noch mehr?«, fragte er mit einer Geste auf die Vertiefung im Schnee.
    »Mein Mann und mein Sohn.« Sie beugte sich über das Mädchen, das mittlerweile das Bewusstsein verloren zu haben schien, und begann die Salbe, die sie aus dem Inhalt ihres Säckchens und etwas schmutzigem Schnee hergestellt hatte, auf der zerfetzten Hälfte seines Gesichts zu verteilen.
    Er empfand ein vages Bedauern beim Anblick der verheerten Züge. Trotz all des Schmutzes und Blutes konnte er erkennen, dass es ein sehr schönes Gesicht war, und ein einziger Blick in das der Mutter zeigte ihm, dass es in nicht allzu ferner Zukunft noch sehr viel schöner geworden wäre, hätte ein grausames Schicksal nicht anders entschieden.
    Er war nicht sicher, dass es diese schlimme Verletzung überleben würde, und setzte dazu an, eine entsprechende Frage zu stellen, begriff dann aber im letzten Augenblick, wie grausam das gewesen wäre, und stand stattdessen auf, um die zwei Schritte zu dem Loch im Schnee zu tun.
    Darunter lag kein hart gefrorener Boden, sondern zersplittertes Holz, unter dem sich Schatten bewegten. Behutsam ließ er sich in die Tiefe gleiten und fand sich in einer flachen Mulde wieder, deren Decke von der zerborstenen Seitenwand des umgestürzten Wagens gebildet wurde. Seine Augen, die sich erstaunlich schnell an das schwache Licht gewöhnten, zeigten ihm einen vielleicht dreizehn- oder vierzehnjährigen Jungen, der ihn aus angstvoll aufgerissenen Augen anstarrte und so weit von ihm weggekrochen war, wie es in der winzigen Höhle überhaupt ging, und einen bärtigen Mann in derber Kleidung. Er lag verkrümmt auf der Seite und hatte die Augen geschlossen. Seine Hand umklammerte ein kurzes Schwert, und die Mischung aus Morast und halb geschmolzenem Schnee unter ihm hatte sich rosa gefärbt. Elenia und ihre Familie mussten sich unter den umgestürzten Wagen verkrochen haben, um Schutz vor den Wölfen zu finden. Eine ziemlich dumme Idee, wenn man wusste, über welch scharfe Sinne die grauen Jäger verfügten. Aber auch eine, die zeigte, wie groß ihre Verzweiflung gewesen war.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, wandte er sich an den Jungen. »Ich tue dir nichts.«
    »Bist du … bist du einer von ihnen?«, stieß der Junge mit einer Stimme hervor, die beinahe vor Angst brach.
    »Nein«, antwortete er, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wovon er überhaupt sprach. Er versuchte zu lächeln. »Ich bin hier, um euch zu helfen.«
    Behutsam streckte er die Hand nach dem Jungen aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, als dieser noch erschrockener zurückwich. »Ich will euch helfen«, sagte er noch einmal. »Deine Mutter und deine Schwester sind oben. Du musst keine Angst haben. Die Wölfe sind fort.«
    Der Junge überlegte einen Moment und kam dann zu einem Entschluss. »Mein Vater –«
    »Er ist verletzt, ich weiß«, sagte er. Und das ziemlich schlimm. »Wir müssen ihn nach oben bringen, aber das schaffe ich nicht allein. Hilfst du mir?«
    Ein weiterer, quälend langer Moment verging, in dem der Junge ihn nur weiter anstarrte, dann aber begann er an den Schultern seines Vaters zu zerren. Das einzige Ergebnis war ein halblautes Stöhnen, das über die Lippen des Bewusstlosen drang.
    »Warte«, sagte er rasch. »Das hat keinen Sinn. Kriech nach oben und pass auf deine Mutter auf. Jemand muss sie beschützen, falls die Wölfe wiederkommen.«
    Den Bewusstlosen aus seinem Versteck herauszubekommen erwies sich als ebenso unerwartet einfach wie überraschend schwer. Einfach, weil er so leicht wie ein Kind zu sein schien, und schwer, weil ihm schon die geringste Berührung große Schmerzen bereitete, vor denen ihn nicht einmal die Bewusstlosigkeit schützte. Am Ende musste er doch die Hilfe des Jungen in Anspruch nehmen, um seinen Vater nach oben zu ziehen und behutsam in den Schnee zu legen.
    »Wird er sterben?«, fragte der Junge.
    Die Frage erschreckte ihn, doch bevor er antworten konnte, mischte sich die Mutter des Knaben ein und fuhr ihn an: »Red nicht so einen Unsinn, Lif! Dein Vater ist ein starker Mann! Er braucht nur ein wenig Ruhe und etwas von meiner Medizin, und dann wird er sich wieder erholen!«
    Nach dem, was er gerade gesehen und im Inneren des Bärtigen gespürt hatte, bezweifelte er das, behielt diese Meinung aber für sich. Diese Menschen waren vollkommen fremd für ihn, weder seine Feinde noch
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