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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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anderthalb Jahrtausende früher als Kleopatra, stieg die erste in der Reihe unserer bedeutenden
     Frauen zur Herrscherin auf: Hatschepsut verkörpert allerdings einen ganz anderen Typus, nämlich den der taktisch und damit
     politisch überlegenen Königin (Pharaonin), die männliche Rivalen oder potenzielle Konkurrenten und sogar den eigenen Sohn
     ausmanövriert und sich in einer ansonsten rein männlich geprägten Kultur an der Spitze zu halten versteht.
    Sie hat in unserer Sammlung einige Kolleginnen: Auch die spätrömische Kaisertochter Galla Placidia fand trotz der für weibliche
     Herrschaft widrigen Zeiten im 5. Jahrhundert Mittel und Wege, Politik maßgeblich mitzugestalten. Natürlich ließ sich das nur
     durch Ehe und Mutterschaft sowie List und Finten bewerkstelligen, doch ihr rascher Geist und ihr Geschick bei Aufbau und Pflege
     der richtigen Beziehungen sicherten ihre ungewöhnliche Machtstellung. Nur ein Jahrhundert jünger war Chrodechilde, Frau des
     machtbewussten Frankenkönigs Chlodwig I. Ihr Einfluss auf ihn mag ein durchaus weiblicher gewesen sein, jedenfalls führen
     manche auf diesen die weltgeschichtlich entscheidende Konversion des Königs zum römisch-katholischen Glauben zurück. Die eigentliche
     Macht wuchs ihr aber erst mit dem Tod Chlodwigs zu, als sie sozusagen Chefin des Hauses war und hohe Achtung genoss.
    Zwei Kaiserinnen aus sehr unterschiedlichen Epochen gehören ebenfalls hierher: Theodora, eine Zeitgenossin der fränkischen
     Königin, wuchs im |12| Schaustellermilieu des oströmischen Byzanz (heute Istanbul) auf, lernte nach abenteuerlichem Lebensweg als Mittzwanzigerin
     den künftigen Kaiser Justinian kennen und vorsichtig zu lenken, heiratete ihn, rettete ihm bei einem Aufstand den Thron und
     wurde aus Dank zur Mitregentin erhoben, die allerdings aufgrund ihrer Lebensklugheit oft die wahre Regentin und im Falle einer
     Krankheit des Kaisers auch die alleinige Herrscherin war. Sie trieb als erste so etwas wie Frauenpolitik, indem sie ihren
     Geschlechtsgenossinnen mehr Rechte und mehr Freiheit bescherte.
    Ihre gut 1200 Jahre jüngere Kollegin Katharina die Große herrschte ebenfalls im Osten, nämlich in Russland. Auch sie konnte
     männliche Konkurrenz abdrängen, nachdem sie erst einmal ihren Mann Zar Peter III. beseitigt und beerbt hatte. Machtpolitisch
     war sie ähnlich energisch wie Theodora, doch auf dem sozialen Gebiet ganz Kind ihrer Zeit, die strikt zwischen Oben und Unten
     trennte. Das gilt auch für die Dritte im Bund der Klugen: Margarete von Österreich. Sie verfügte nur über abgeleitete Macht
     durch den Neffen Kaiser Karl V., aber sie nutzte sie besonnen, friedfertig und zur Mehrung des Wohls der Oberschicht in den
     von ihr verwalteten Niederlanden: eine Frau mit Augenmaß.
    Bleibt als letztes Beispiel eines für negative Größe zu erwähnen: Marie Antoinette, Tochter der Königin und Kaiserin Maria
     Theresia, passt in keine Kategorie, war weder Hure noch Heilige, weder Verführerin noch Strippenzieherin, hat nichts Eigenes
     geleistet, sondern ist allein wegen ihrer Zeit- und Standesgenossenschaft eher zufällig in die Geschichte geraten. Dass wir
     die französische Königin dennoch zu den Großen zählen, liegt an den großen Gefühlen, die ihr trauriges Schicksal aufrühren
     kann. Sie war blind für die Zeichen der Zeit und wurde zum Katalysator des großen Aufruhrs, indem sie durch Affären und adlige
     Borniertheit idealtypisch das verkommene Ancien Régime verkörperte. Ihr Tod auf der Guillotine schockte die Menschen mehr
     als der ihres Mannes, da sie persönlich nur lässliche Schuld auf sich geladen hatte und für die seit Jahrhunderten angehäuften
     Sünden ihres Standes mitbüßte.
    Gemeinsamer Nenner? Mehr als die Tatsache, dass sich unter den großen Frauen der Geschichte weniger Ausreißer zum unermesslich
     Guten wie zum höllisch Bösen finden als beim freilich erheblich umfangreicheren männlichen Angebot, fällt nicht auf. Trotz
     der quantitativen Schieflage aber lässt sich mit einigem Recht vermuten: Wäre das Geschlecht der Mächtigen ausgewogener gewesen,
     als es die männliche Verfasstheit der Geschichte zugelassen hat, es wäre wohl insgesamt moderater und menschlicher zugegangen.
     Schon hier verliert man sich indes in bloßer Spekulation; auf Was-wäre-gewesen-wenn-Fragen hat die Historiographie keine Antwort.
     Wenn daher als Gemeinsames die fesselnden Lebenswege bleiben, so hat diese kleine Porträtgalerie ihren
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