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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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einmal husten. Aber sie versuchte es. Sie atmete ein weiteres Mal ein, um das Wasser herauszuhusten, was natürlich dazu führte, dass noch mehr Wasser in ihre Lungen strömte. Kleine rote Wirbel stiegen von ihrem Hinterkopf auf. Im Kampf ums Überleben zuckte Frau Bengtsson so heftig, dass sie sich einzelne Haarsträhnen ausriss und stellenweise selbst skalpierte. Es half nichts.
    Ihre Hände griffen nach allem, was sie fassen konnten, und rissen den Duschvorhang von der Stange. Ihre Beine strampelten und kickten die ordentlich am Fußende aufgereihten Flaschen quer durchs Bad. Die feine Glasflasche mit dem Badesalz aus Kairo zersplitterte am Boden, wo das Wasser gierig knisternd jedes Korn aufsaugte. Frau Bengtsson spuckte und prustete Wasser, sah und hörte nur Wasser und atmete immer mehr davon ein.
    Nach und nach fuchtelten ihre Arme und strampelten ihre Beine nicht mehr.
    Es wurde schwarz. Alles war still.
    Als die Wellen sich gelegt hatten, hatte Frau Bengtsson neunzehn der zwanzig Zentimeter fortgekämpft. Nicht genug. Die Massagestrahlen wirbelten weiter gegen ihr totes Fleisch.
    Sie schwebte nicht über ihrem Körper. Flog nicht mit Schallgeschwindigkeit durch einen Tunnel. Sah weder ihre Mutter noch den Hund, den sie als Kind besessen hatte, am Ende des Tunnels. Nein, dies war keine Nahtoderfahrung. Es war der Tod.

    Wenn Menschen sterben, rufen sie fast immer Gott an. Nicht unbedingt den christlichen, aber das Wort »Gott« gehört meist zu ihren letzten.
O Gott o Gott o Gott
war also nichts Ungewöhnliches, nichts, was Unseren Herrn aufschrecken würde, obwohl es ja meist in Panik ausgerufen wurde. Angstschreie, Röcheln und Flehen gehören für ihn zum Alltag, sie sind wie Fahrstuhlmusik in seinen Ohren.
    Aber manchmal geschieht es, dass Gott einen Plan hat. Oder dass er seine Aufmerksamkeit zufällig einem Menschen widmet, der gerade auf eine andere Weise zu Tode kommt, als es Unser Herr vorgesehen hat. Die Menschen neigen nun einmal dazu, alles zu vermasseln.
    Er ist ihnen nicht böse deswegen. Manchmal lässt er es einfach geschehen. Er weiß ja, dass es nicht so schlimm ist.
    Aber manchmal, wenn sich eines seiner Abbilder besonders dumm anstellt und stirbt, tut es auch dem Herrn leid.
    Manchmal tut es ihm so leid, dass er die Ereignisse zurückspult.
    Auf manche von uns ist der Herr auch richtig neugierig. Dann will er wissen, was wir aus unserem freien Willen machen. Manche von uns sind Gottes privater Krimi, und ein Krimi wäre kaum spannend, wenn er mitten im Satz aufhört.
    Frau Bengtsson war so eine Geschichte für Gott. Und nicht nur das. Sie hatte das unglaubliche Glück, dass Gott genau in diesem Moment in ihr las, um sich ein wenig zu zerstreuen.
    Er schlug die Seite auf, auf der sich die Wellen gerade gelegt hatten und man nichts mehr außer den Massagedüsen und dem leise knisternden Badesalz hörte.
    O nein, dachte Gott. Wie dumm!
    Liebe kleine Freundin. Mein kleines, zerbrechliches Lamm … du kleines, herrliches Geschöpf, es soll noch nicht zu Ende sein. Jedenfalls nicht so.
    Und Gott griff ein.

    Am Boden der Wanne hob sich plötzlich wie von selbst der Stöpsel, und das Wasser lief ab. Gleichzeitig schalteten sich die Massagedüsen aus, und es wurde still im Badezimmer.
    Es dauerte sechsunddreißig Sekunden, bis die Wanne leer war.
    Dann, als hätte man ihm Leben eingehaucht, als bestünde es aus Muskeln, wand sich Frau Bengtssons Haar wie ein Schlangennest. Es schlang sich rückwärts aus dem Ventil heraus. Gott spulte alle Bewegungen des Haares zurück, so dass auch die Wunden an den Haarwurzeln wieder zuwuchsen.
    Dies dauerte eine Sekunde.
    Arme, kleine, geliebte Kreatur. Oi, oi, oi. Wie dumm!
    Dann öffnete der Herr den Mund und flüsterte dem toten Körper etwas ein. Überall im Himmel konnte man es als sanften Gotteshauch vernehmen, und die Engel seufzten vor Freude, als der lebenspendende Wind sie streichelte.
    In Frau Bengtssons Viertel fielen ein paar Ziegel von den Dächern, und Mülltonnen stürzten um und rollten die Straße hinab.
    Zu stark und zu kurz war der Windstoß, als dass ein menschliches Ohr das eine Wort erfasst hätte, das er mit sich trug. Das Gotteswort bahnte sich seinen Weg durch das Badfenster in ihren Mund und in jede Faser ihres Körpers.
    Lebe!
    Es dauerte eine Sekunde.

    Die Hausfrau begann zu zittern, drehte sich auf die Seite und prustete das Wasser, das sie eingeatmet hatte, in einem einzigen Strahl heraus.
    Frau Bengtsson war genau
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