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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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konnte, wo er doch immer eine Bemerkung darüber fallenließ, wie teuer das Zeug sei.

    Neunzehn Jahre Ehe, und neunzehn Jahre alt bei der Hochzeit. Ja, so jung war sie gewesen, als sie durch einen Schleier auf ihren schicken Bräutigam geschaut hatte. Beim Einzug in die Kirche war sie sich wie unter einem Moskitonetz vorgekommen.
    Nächstes Mal wähle ich einen feinmaschigen Schleier, damit nicht alles so kariert aussieht, dachte sie, als sie vor den Altar traten. Dann sah sie Jesus am Kreuz, und plötzlich wurde ihr klar, was sie da gedacht hatte. Was sollte das heißen, nächstes Mal?
    Dann musste sie an Freud denken, und ehe sie sichs versah, entspann sich eine lange Gedankenkette von der Art, wie man sie oft kurz vorm Einschlafen hatte. Manche Kettenglieder waren straff und logisch verbunden, andere eher ausgeleiert, mit großen Zwischenräumen. Und doch hing alles zusammen. Nun aber musste sie solche Unglücksgedanken von sich schieben und klar denken!
    Klar wie die glanzlackierten Jesusstatuen in der Kirche. Sie sahen ziemlich künstlich aus, ungefähr wie ihr Nagellack, um ehrlich zu sein. Zum Glück hatte sie die Zehennägel nicht lackiert, das hätte ihre Füße verunstaltet, die in den engen Satinschuhen nach Luft und Bewegungsfreiheit schrien. Ja, auch dieser verdammte Schleier aus steifem Moskitonetz war wie ein Gefängnis. Sie schwitzte.
    Dann hörte sie Worte über die Liebe, die alles vergibt und nichts verlangt. Und weil sie so jung war, dass sie die schönen, aber verbrauchten Bibelverse, die auf jeder Hochzeit vorgelesen werden, noch nicht satthatte, rührten sie an ihr Herz, und sie dachte: Genau so ist es. Und sie war glücklich, den Mann zu heiraten, der dieses Gefühl möglich machte.
    Und wie es sich gehörte, ignorierte sie die eingequetschten Zehen während der restlichen Zeremonie, die übrigens so schön war, dass viele Leute weinten.

    »Weißt du, Liebling, ich schreibe das lieber auf. Wo sind unsere Testamente?«
    »Aber … Das willst du doch nicht etwa da reinschreiben?« Er wand sich unter ihrem Gewicht.
    »Doch. Ich möchte einen ausführlichen Anhang zu meinem Testament verfassen. Welche Kosmetikartikel und wie viel davon. Man will doch nicht wie ein Clown aussehen, wenn man im Sarg liegt. Oder wie eine Leiche. Wo sind sie?«
    »Im Archivschrank im Büro. Obere Schublade, unter ›Privat‹«, antwortete Herr Bengtsson, der in all den Jahren gelernt hatte, dass es sinnlos war, seine liebe Ehefrau von etwas abzubringen, das sie sich vorgenommen hatte. »Aber dir ist hoffentlich klar, dass du diese Papiere nicht einfach so verändern kannst. Sie sind beglaubigt und datiert, und wenn du was Neues reinschreibst, dann gilt das nicht, Liebling. Vielleicht solltest du …«
    Sie unterbrach ihn ungeduldig. »Natürlich schreib ich nichts rein. Es kommt auf ein eigenes Blatt, das lassen wir ebenfalls beglaubigen und heften es als Anlage dazu. Ganz einfach!«
    In ihrem Eifer machte sie den Fehler, aufzustehen, und befreite die Zeitung von ihrem Gewicht. Schnell nahm das Blatt wieder Form an, und die Antworten ihres Mannes reduzierten sich erneut auf das übliche »Mmm«. Irgendwo im Hinterkopf registrierte er, dass die rosa Pantoffeln seiner Frau sich klappernd von seinem Sessel entfernten, dann versank er in der Welt seiner Tabellen.
    Die Pantoffeln hatten mit Satin bezogene Keilabsätze und rosa Quasten, und obwohl sie wusste, wie klischeehaft dies für eine Hausfrau war, liebte Frau Bengtsson sie heiß und innig. Wenn sie mitten in der Woche nachmittags darin herumlief, fühlte sie sich schick und amerikanisch. Und in Frau Bengtssons Welt war amerikanisch dasselbe wie perfekt.
    Sie waren ihr Statussymbol, und mit ihnen konnte sie ohne schlechtes Gewissen ein Glas Wein aus dem Karton zapfen, bevor sie das Abendessen zubereitete. Wer solche Pantoffeln trug, war dazu beinahe verpflichtet.

    An diesem Freitagabend jedoch wurde dem Testament keine Anlage beigefügt.
    Freilich hatte Frau Bengtsson ein leeres DIN -A 4 -Blatt geholt, einen Stift gespitzt und sich an den Küchentisch gesetzt, um die Nachwelt zu instruieren, wie man sie nach ihrem Fortgang schminken sollte, aber dann konnte sie sich nicht entscheiden, wie sie beginnen sollte. »Bekanntgabe« klang viel zu unpersönlich für eine so intime Sache, und »Hallo« war einfach nur dumm. Schließlich kreuzte sie die Füße unter dem Stuhl, kritzelte zerstreut kleine Blumen und Vierecke auf das Blatt und schrieb ihren Namen in
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