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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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aus ihrer Belesenheit zu machen oder gar damit anzugeben. Vielleicht wusste sie gar nicht, was sie damit anfangen sollte. Sie war einfach nur zufrieden mit ihrem gesammelten Wissen, und auf Festen war sie beliebt und geschätzt, weil sie über fast alle Themen parlieren konnte. Sie war sich nicht zu fein, um das Schicksal irgendwelcher Hollywood-Schauspielerinnen zu diskutieren, und im nächsten Moment redete sie über den armen jungen Werther und seine Leiden. Es lag ihr fern, nur aus Geltungssucht über sogenannte anspruchsvolle Dinge zu reden oder mit Fremdwörtern um sich zu werfen. Nein, sie mochte es lieber schlicht und hübsch.
    Genau so war ihr Heim, schlicht, hübsch und tadellos.
    Herr Bengtsson wusste es zu schätzen, wie sie den Haushalt führte und sein Essen kochte. Im Großen und Ganzen war er ein liebevoller Ehemann, der ihr in regelmäßigen Abständen seine Wertschätzung zeigte, freilich auf moderate, angemessene Weise.

    Kurz nachdem nun diese einfache, aber belesene Hausfrau einen Artikel über schwedische Einrichtungstrends gelesen hatte und sich vor Grausen über das Comeback der Medaillontapete geschüttelt hatte, geschah es, dass sie starb.
    Wie war das möglich?
    Nun.
    Sie hatte die Haare zweimal gründlich gewaschen, Balsam in die Spitzen einmassiert und sie zu einem Dutt hochgesteckt, um den Balsam einwirken zu lassen. Dann schaltete sie die Massagedüsen ein. So weit, so gut.
    Genau genommen war es keine echte Massage, aber wenn man schon so viel Geld ausgegeben hatte, damit die Badewanne einem das Fleisch weich klopfte, dann musste man sich dieser Prozedur auch ab und zu aussetzen, dachte sie.
    Nach ein paar Minuten wollte sie den Balsam ausspülen, und hier beging Frau Bengtsson den Fehler, der sie das Leben kostete: Sie schaltete die Massagedüsen nicht ab, bevor sie den Kopf eintauchte.
    Was dann geschah, wäre sicher die aussichtsreiche Grundlage einer lukrativen Klage gegen den chinesischen Badewannenhersteller.
    Das Ansaugventil, das die sechs Massagedüsen mit Badewasser speiste, saß nicht am oberen Wannenrand wie bei den meisten Systemen. Es saß am ganz und gar falschen Ort, nämlich am Boden, noch dazu am Kopfende. Und es saugte gierig – allzu gierig, wie sie an dem Höllenlärm hätte erkennen können. Natürlich hatte sie schon tausendmal in dieser Wanne gebadet, aber nie hatte sie ihr Haar bei eingeschalteten Massagedüsen ins Wasser getaucht.
    Manche ahnen vielleicht, was als Nächstes geschah.
    Sie hatte tief eingeatmet und war untergetaucht.
    Sie lag vollständig unter Wasser, wo der Motor noch lauter dröhnte. So musste sich ein Kleidungsstück in der Waschmaschine fühlen.
    Sie fuhr sich durchs Haar und dachte sich nichts dabei, dass es nicht wie gewöhnlich an die Oberfläche schwebte. Warum hätte sie auch sollen?
    Langsam ging die Luft in ihren Lungen zur Neige, und sie spannte die Bauchmuskeln an, um sich aufzusetzen, stellte aber im selben Augenblick fest, dass sie den Kopf nicht heben konnte. Er lag wie festgewachsen am Boden der Wanne, und die zwanzig Zentimeter Wasser, die sie von dem Element trennten, das sie immer dringender brauchte, hätten ebenso gut ein ganzes Meer sein können.
    Panik ergriff sie, und sie zog an ihren Haaren, aber es half nichts. Sie hatten sich fest in dem kleinen Gitter verfangen; nicht nur eine Strähne, die man ausreißen konnte, sondern die gesamte mahagonifarbene Haarpracht, in voller Länge.
    Der Druck in ihren Lungen stieg, und sie warf sich hin und her, bis das Wasser über den Wannenrand schwappte. Vielleicht konnte sie auf diese Weise genug Wasser aus der Wanne befördern? Rhythmisch bewegte sie Unterkörper und Beine, um so große Wellen wie möglich zu verursachen, während ihr Körper von innen heraus versuchte, den Mund zu öffnen. Zu atmen.
    O Gott o Gott o Gott …
    Schließlich konnte sie nicht länger die Luft anhalten.
    Das Badezimmer war überschwemmt. Aber nicht genug.
    Wie ein Wal blies die Hausfrau eine Fontäne in die Luft; zwischen ihr und ihrem nächsten Atemzug waren immer noch fünf Zentimeter Flüssigkeit.
    Sie atmete Wasser ein.
    Und weil Gott Frau Bengtsson nicht anders als andere Menschen geschaffen hatte, war es ein ziemlich dummes Unterfangen, Wasser einzuatmen. Aber so sind wir Menschen: Wenn wir im Sterben liegen, atmen wir alles Mögliche ein und hoffen, dass es funktioniert. Doch es funktionierte nicht.
    Frau Bengtssons Lungen füllten sich erbarmungslos mit Wasser und Shampoo. Sie konnte nicht
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