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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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großen Tragen auszumachen –, erschwerte es ungemein, Verkehrsregeln zu lernen und einen schwedischen Führerschein zu erlangen. Aber er hatte es geschafft, und hier kam er! Im Dienst des schwedischen Staates, wie er sich insgeheim ausmalte.
    Beggo fühlte sich wie ein Agent, der verschlüsselte Befehle und Botschaften übergab. Jeden Tag dachte er sich kleine Geschichten mit den Lieblingspersonen auf seiner Runde aus. Er schickte sie auf geheime Missionen, ließ sie von gefährlichen Einsätzen zurückkehren oder überbrachte Informationen über zu liquidierende Personen. Manchen gab er sogar Codenamen. Mit kreischenden Bremsen hielt er vor dem Haus, jedoch nicht allzu heftig, um die Gelbe Gefahr zu schonen, wie er das Auto nannte. Wie immer knallte es, und eine schwarze Wolke stob aus dem Auspuff, als er den Zündschlüssel herumdrehte. Ein weißes, triumphierendes Grinsen zog sich über sein schwarzes Gesicht.
    Frau Bengtsson war »die Witwe«.
    Beggo wusste wohl, dass es einen
Herrn
Bengtsson gab, manchmal wechselten sie sogar ein paar Worte miteinander, und eigentlich war sie auch viel zu jung für diesen Codenamen, aber genau das gefiel Beggo. Seine Version unserer Heldin hatte ihren Mann schon in jungen Jahren im Verlauf eines gemeinsamen Spionageaktes verloren. Er war auf einer Tropeninsel auf tragische Weise entlarvt und erschossen worden, und die Witwe hatte nicht einmal Abschied nehmen können. Der Geheimauftrag hatte schwerer gewogen als die Liebe, und Beggo malte sich aus, wie sie, Tag für Tag von Reue gepeinigt, die letzten Sekunden ihres Mannes neu durchlebte.
    Er hatte einen Bauchschuss abbekommen und im Sterben nach ihr gerufen, während sie Hals über Kopf geflüchtet war. Nun saß die hübsche Witwe verbittert zu Hause und wartete geduldig auf den Tag der Rache.
    Eines Tages würde Beggo ihr den Befehl überbringen, auf den sie wartete.
    Aber an jenem Dienstag wurde nichts daraus. Alles, was er für sie hatte, waren ein Bündel Reklame und ein paar Versandkataloge, und mit denen konnte man nicht einmal phantasieren, weil sie nicht in braunen Umschlägen, sondern in dämlichen, durchsichtigen Plastiktüten steckten. Aber die Witwe gehörte zu den wenigen, die alles schätzten, was er brachte; außerdem war sie immer zu leicht bekleidet für das schwedische Wetter, oder ihre Kleider lagen dafür, dass sie nur zu Hause war, viel zu eng an. Im Großen und Ganzen war diese Adresse also ein angenehmer Halt.
    Wie gewöhnlich kam sie zur Tür heraus, als sie die Gelbe Gefahr um die Ecke biegen sah, um die Post persönlich entgegenzunehmen.
    Sie fragte, wie es ihm ging, und Beggo antwortete mit einem Akzent, der von Tag zu Tag geringer wurde: »Wie ein Fels im Sturm der Zeit. Du hast mein Herz berührt; ich hab es gleich gespürt …«
    Im Grunde hatte er nur Probleme mit den Vokalen, er verwechselte bisweilen lange und kurze, so dass es wie »Fe-els« klang.
    Frau Bengtsson runzelte die Stirn und dachte kurz nach.
    »Ich geb auf.«
    »Helene. Du hast mein Herz berührt«, antwortete Beggo, der seine Sprachkenntnisse hauptsächlich über Schlagertexte erwarb, weil er die kommunalen Abendkurse viel zu steif und unpoetisch fand, aber die großen Romane noch nicht lesen konnte.
    Sie summte vor sich hin. »Natürlich! Das hätte ich wissen müssen. Nimm ein älteres Lied nächstes Mal. Weißt du, ich werde langsam alt und kriege die neuen Hits nicht mehr so mit.«
    Während sie dies sagte, strich sie ihren seidenen Morgenrock glatt, so dass sich der Ausschnitt vergrößerte.
    »Bei mir bistu shejn.« Er lachte.
    »Das ist
zu
alt. Andrews Sisters«, kicherte die Witwe und nahm es doch als Kompliment.
    »Ja, morgen suche ich ein anderes aus«, antwortete Beggo, überreichte ihr die Kataloge und fuhr etwas zu schnell an. Im Rückspiegel sah er eine schwarze Wolke zwischen sich und Frau Bengtsson, er grinste breit und stieg in die Eisen, weil er vor dem nächsten Haus angekommen war.

    Beggo hatte völlig recht: Frau Bengtsson freute sich über fast alles, was mit der Post kam. Waren es Rechnungen oder ähnlich fades Zeug, legte sie das ungeöffnete Kuvert einfach auf die Computertastatur ihres Mannes. Er würde sich schon darum kümmern, wenn er heimkam.
    Alles andere las sie bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch. Ein paarmal im Monat freute sie sich ganz besonders, denn sie war Mitglied zweier Buchclubs und hatte außerdem drei Zeitschriften abonniert. Aber auch Reklame und Versandkataloge blätterte sie
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