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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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uns selbst lieben. Sie trank ihren Kaffee und las die Zeitung. Schluss mit dem schlechten Gewissen.

    Ja, Rakel war ein seltsamer Typ.
    Aber das sah man ihr nicht an. Nein, nach außen war sie ein gewöhnliches graublondes Mädchen mit blassblauen Augen und verdrießlicher Miene. Eine graue Maus.
    Ihr Haar war stets von einem braunen oder weißen Haarreif zurückgehalten, die rahmenlose Brille so sauber geputzt, dass man sie auf der geraden, nichtssagenden Nase kaum bemerkte, und die Lippen waren chronisch zusammengepresst (das Fräulein schämte sich für seine Vorderzähne).
    Rakels Kleider passten sich in Grau und Beige dem Farbton ihrer Haare an, sie trug immer vernünftige braune Schuhe, und wie es sich für eine zukünftige Pastorin gehörte, bestand ihr einziger Schmuck aus einem bescheidenen goldenen Kreuz an einer kaum sichtbaren Halskette. Ein schlichter Ehering mochte eines Tages dazukommen, aber das war alles.
    Minutiös pflegte das Mädchen diesen anspruchslosen Stil, denn sie dachte, dass er ihren Glauben stärke. Das schlechte Gewissen nagte nämlich ununterbrochen an ihr. Sie wusste sogar, woher es kam, offenbarte sich aber niemandem.
    Fräulein Rakel gehörte nicht zu den Berufenen.
    Doch, sie glaubte fest an Gott, aber sie hatte kein grenzenloses Vertrauen, konnte sich nie ganz in seine Arme fallen lassen. Er hatte nie zu ihr gesprochen, und in ihrer Brust brannte nicht jene Hingabe, die sie auf die heilige Bahn gezwungen hätte.
    Rakel mochte Gott und die Kirche. Sie mochte das Christentum, und sie mochte Jesus. Und Rakel wollte anders sein. Ihr Glaube sollte den Leuten Respekt einflößen, damit man sie in Ruhe ließ.
    Wenn sie Medizin oder Journalistik studiert hätte (was sie als Alternativen zur Theologie erwogen hatte), wäre der Glaube zweifelsohne ein Klotz an ihrem hübschen Bein geworden. Es war nicht leicht, zwanzig zu sein und gleichzeitig so überzeugte Christin, wie sie es trotz allem war. Säkularisierte Menschen – die meistverbreitete Sorte – schienen jungen und intelligenten Frauen, die den Weg des Glaubens gingen und nach den Zehn Geboten lebten, aus irgendeinem Grund zu misstrauen. Spätestens seit ihrer Konfirmation hatte Rakel sich damit abgefunden, dass die Mitmenschen sie schräg ansahen. Seltsam, wo sie doch in allen anderen Dingen
sooo vernünftig
war.
    Der Rest der Welt – einschließlich der einzigen Familienmitglieder, die sie noch hatte, eine Tante und zwei Cousinen – betrachtete sie als eine Art Einstein, der gerade bemerkt hatte, dass er das Alphabet nicht fehlerfrei aufsagen konnte. Jedenfalls kam es ihr so vor.
    Noch schlimmer waren die Leute, die dachten, dass der Unfalltod ihrer Eltern die Ursache ihres Glaubens sei. Sie war damals siebzehn gewesen, und nun glaubten viele, dass die Religion der Strohhalm sei, an den sie sich klammerte. Immerhin besser als Drogen oder andere Arten der Selbstzerstörung, aber sicher würde auch das vorübergehen, sobald sie den Verlust überwunden hatte, dachten sie. Das waren die Schlimmsten. Im Gegenteil hatte der Unfall die Grundpfeiler ihres Glaubens eher erschüttert.
    Ein Jahr nach dem Unglück hatte sie sich damit abgefunden, dass sie immer noch an Gott glaubte. Es war anstrengend genug, nach diesem Glauben zu leben, und damit sie sich nicht tagtäglich rechtfertigen musste, beschloss Rakel, Theologie zu studieren. So könnte sie sich in Ruhe und Frieden dem geistigen Leben widmen. Sie war auf der Suche nach ihresgleichen. Schon am ersten Tag des Studiums beschloss sie, Pastorin zu werden. Alles andere wäre eine Verschwendung ihrer intellektuellen Begabung gewesen.
    Pastorin.
    Das klang respekteinflößend, es war wichtig und der einzige Weg, um ihre Überzeugung frei auszuleben. Und es hatte trotz allem etwas Cooles. Es faszinierte die Leute, im Gegensatz zum ordinären, privaten Glauben.
    Aber es war auch schwer, wie sie bald herausfand, denn selbst in der theologischen Fakultät fühlte sie sich … mmh, anders, vielleicht sogar ein wenig ausgestoßen.
    Es schien, als wären alle anderen Studenten von Gott dorthin berufen worden. Entweder direkt, in Form eines unmissverständlichen Kommuniqués, oder ganz selbstverständlich, von Kindesbeinen an. Nur Rakel hatte ihr Studienfach erst zwei Wochen vor Ablauf der Bewerbungsfrist ausgesucht, nur sie hatte alternative Fächer angegeben (nach langem Hin und Her hatte sie sich für Journalistik entschieden), und nur sie hatte die Religionswissenschaft gewählt, um einer
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