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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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keinesfalls aufdrängen, und vor allem sollten die Nachbarn nicht denken, dass sie Rakels Ersatzmutter sei. Auch wenn es vielleicht ein bisschen so war, aber das ging niemanden etwas an.
    Ungefähr einmal im Monat trafen sich die beiden Frauen zu vielen Tassen Kaffee. Jede erzählte von ihrem Monat. Nie redeten sie über den Unfall und kaum über Rakels Glauben. Frau Bengtsson hatte sie ein paarmal danach gefragt und nur knappe, reservierte Antworten bekommen, also begnügte sie sich damit, dass das Mädchen religiös war. Sicher war sie bereit, eine Herde zu leiten, so etwas studierte man ja, um Pastor zu werden. Man machte ja auch keine Kochkurse, wenn man hinterher nicht kochen wollte.
    Die beiden mochten einander mehr, als die Kaffeekränzchen verrieten. Vielleicht war Frau Bengtsson doch eine Ersatzmutter für Rakel. Aber das gab sie natürlich nicht zu.

    Das arme Mädchen, dachte Frau Bengtsson wie immer, wenn sie Rakel sah. Sie konnte nicht anders.
    Es war halb elf, bestimmt war sie unterwegs zum Gottesdienst.
    Frau Bengtsson war überzeugt, dass Rakel eine gute Seelsorgerin werden würde. Sie war ja so … so … (langweilig) reif. So vernünftig und ruhig, trotz ihrer jungen Jahre.
    An diesem Sonntag trug sie einen weißen Haarreif, eine weiße Bluse, einen weißen Strickpullover, den sie über die Schultern gelegt hatte, und ein Paar beige Hosen mit Bügelfalte. Frau Bengtsson kannte keine andere Zwanzigjährige, die ihre Hosen bügelte – ja, sie würde eine gute Pastorin werden. Hinter einem so korrekten Äußeren, das nie in Eitelkeit umschlug, musste sich ein gütiges und urteilskräftiges Inneres verbergen. Jedes Wort, das Rakel bei ihren Kaffeekränzchen äußerte, bestätigte diese Theorie.
    Frau Bengtsson gefiel die innere Ruhe, die Fräulein Rakel ausstrahlte. Seit dem Dienstag, an dem sie gestorben war, fehlte ihr diese Ruhe, und obwohl sie nicht hysterisch war – sie hatte ja nicht einmal geweint –, war sie innerlich aufgewühlt. Vielleicht lag es an den vielen trivialen Fragen wie die nach der kosmetischen Behandlung ihrer Leiche, aber ihr Kopf war voller Gedanken, und sie wirbelten und wirbelten darin herum; dazu gehörte auch die Trauer darüber, dass sie nicht trauern konnte.
    Am Samstag hatte sie sich doch ein wenig darüber geärgert, dass ihr Ehemann den Vorfall so schnell vergessen hatte und dass auch er keine Träne über ihren Tod vergoss. Schließlich hätte er sie verlieren können, nein, er hatte sie sogar für einen Moment verloren, aber das glaubte er ihr nicht.
    Andererseits hatte er den Stecker der Massagedüsen herausgezogen, das war seine Art, Fürsorge zu zeigen. Er tat alles, um ihr das Leben zu erleichtern, und kümmerte sich um ihre Sicherheit und den Unterhalt, das war seine Liebeserklärung. Herr Bengtsson war literarisch eher wenig bewandert, und sie erwartete keine poetischen Ergüsse aus seinem Mund. Sie hatte gelernt, die Worte »Ich liebe dich« in der Reparatur eines tropfenden Wasserhahns oder in zwei Überstunden pro Woche zu hören, und so verhielt es sich auch mit dieser blöden Wanne. Somit hatte sie zusätzlich ein schlechtes Gewissen, weil sie sich über Herrn Bengtssons ausgebliebene Trauer ärgerte.
    Ja, es wirbelte im Kopf unserer Hausfrau, als sie am Küchentisch saß und zusah, wie Rakel gelassen aus der Tür trat und zum Gottesdienst spazierte. Sie war die Ruhe in Person, und das seit ihrem Einzug. Trotz des schweren Verlustes.
    Frau Bengtsson wusste nicht, dass Rakel manchmal in ihr Kissen weinte, mit kurzen, leisen Seufzern, die man auch ohne Kissen kaum hören konnte. Aber sie weinte nicht um ihre Eltern, sondern um Rufus. Den Hund.
    Wie auch immer, an jenem Sonntag begann sich Frau Bengtsson zu fragen, was das junge Fräulein Rakel so … (langweilig) ausgeglichen machte.
    Das Mädchen kam heraus, hob den Blick und das charakteristische schmale Lächeln gen Himmel, schloss die Tür, richtete ihren Haarreif (der ohnehin perfekt saß) und ging – zu Fuß! – in Richtung Kirche. Es waren drei Kilometer dorthin. Aber sie trug fürwahr vernünftiges Schuhwerk. Und sie wirkte so zufrieden. Trotz allem.
    Frau Bengtsson winkte ihr zu, doch die Sonne schien direkt aufs Fenster, weshalb Rakel sie nicht sah und nicht zurückwinkte. Frau Bengtsson kam sich dumm vor, obwohl niemand sie gesehen hatte.
    Fräulein Rakel wäre das bestimmt nicht peinlich, dachte Frau Bengtsson. Sie ist so (langweilig) zuversichtlich.

8
    I m Lauf des Tages kam Frau Bengtsson
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