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Frau Bengtsson geht zum Teufel

Frau Bengtsson geht zum Teufel

Titel: Frau Bengtsson geht zum Teufel
Autoren: Caroline L. Jensen
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Schar von Gleichgesinnten anzugehören. Aber das tat sie nicht.
    Rakel war NFG .
    Nicht Fromm Genug.
    Aber während sie daran kaute, konnte sie wenigstens darauf achten, ausreichend graumäusig auszusehen, angemessen vernünftige und unmoderne Schuhe zu tragen und sich gehörig selbst zu kasteien, wenn sie sich wieder einmal dabei ertappte, dass sie nicht an Gott dachte. Sie würde es schon schaffen, glaubte sie.

    Frau Bengtsson schaute im richtigen Moment von ihrer Sonntagszeitung auf, um Rakel zu erblicken, die neben Herrn Rubin und somit direkt gegenüber dem Ehepaar Bengtsson wohnte.
    Das arme Mädchen.
    Ganz einsam wohnte sie in dem Haus, das ihr bestimmt viel zu groß war. Sie hatte es von ihren Eltern geerbt. Frau Bengtsson hatte sie nicht gut gekannt, da sie und ihr Mann erst einen Monat vor dem tragischen Verkehrsunfall eingezogen waren, bei dem Rakels Eltern und der Golden Retriever der Familie in dem kleinen roten Toyota in eine Scheune gerast waren. Der Crash durch die hölzerne Wand wäre an sich nicht tödlich gewesen, und auch der Heuhaufen in der Scheune wiegte die Insassen des Toyotas für Sekundenbruchteile in falscher Sicherheit, aber dahinter standen allerlei Landmaschinen mit scharfen Metallteilen.
    »Es war eine ziemliche Schweinerei«, erklärte der Bauer, der sie am nächsten Morgen gefunden hatte, gegenüber der Lokalzeitung und wischte sich die Stirn mit einem riesigen, knallroten Taschentuch. »Na ja, meine Maschinen kann ich ja waschen. Aber für das kleine Mädchen ist es bestimmt schlimm«, fuhr er fort und stopfte das Taschentuch in die Hosentasche, so dass nur ein Zipfel herausragte. »Ich habe gehört, dass sie eine Tochter haben. So ein Pech. Die Eltern
und
der Hund. Aufgespießt. Die Arme.« Er setzte seine Schirmmütze wieder auf, zog sie tief in die Stirn und spuckte auf den trockenen Boden.
    »Danke. Sie haben uns sehr geholfen«, sagte der Reporter und versuchte, nicht auf den Schleimklumpen zu schauen.

    Nach einem Monat hatten sie sich freundlich über den Lattenzaun hinweg zugenickt. Einmal, als Frau Bengtsson gerade eines der Schlafzimmer lavendelblau anmalte, waren die Eheleute Karlsson (so hießen Rakels Eltern) sogar mit selbstgebackenen Zimtschnecken zu Besuch gekommen, um sie im Viertel willkommen zu heißen. Es mussten also nette Leute gewesen sein. Menschen, die für ihre neuen Nachbarn Zimtschnecken buken,
waren
nett. Ohne Ausnahme.
    Auch Rakel kannte Frau Bengtsson kaum, bevor sie ins Haus ihrer Eltern zurückzog. Das Mädchen war seit einem Jahr ausgeflogen gewesen, es musste also schon mit sechzehn ausgezogen sein, was Frau Bengtsson erschreckte und den guten Eindruck, den Rakels Eltern gemacht hatten, fast zunichtegemacht hätte, bis sie von Herrn Rubin erfuhr, dass Rakel seit Beginn der Oberstufe ein christliches Internat besucht hatte. Das Mädchen hatte es offenbar selbst so gewollt, was in der Nachbarschaft für Gesprächsstoff sorgte, denn die Eltern waren nicht religiöser als alle anderen in der Fröjdgata; sie feierten Weihnachten und Ostern, mehr nicht.
    Mit siebzehn hatte sie das Haus ihrer Eltern geerbt und für ihr Alter große Reife bewiesen, weil sie beschloss, dort wohnen zu bleiben.
    Rakel hielt Haus und Garten perfekt in Schuss, genau wie sie ihr eigenes Äußeres pflegte. Zwar fand Frau Bengtsson, dass sie ziemlich langweilig aussah, aber das gehörte wohl dazu, wenn man Pastorin werden wollte, dachte sie.

    Ab und zu ging Frau Bengtsson zu Rakel hinüber – aber nie mit Zimtschnecken, um keine schmerzvollen Erinnerungen zu wecken. Sie wollte sehen, ob das Mädchen Hilfe brauchte, was jedoch nie der Fall war.
    Rakel servierte Kaffee, und Frau Bengtsson inspizierte verstohlen den Haushalt ihrer jungen Nachbarin, der nichts zu wünschen übrig ließ. Sogar unter dem Sideboard war der Boden gründlich gesaugt. Frau Bengtsson fühlte sich übertrumpft.
    Es sah aus, als hätte Rakel sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Falls sie trauerte, so tat sie es für sich und in aller Stille. Die Zeit verging, und Rakel hängte sich ein wenig an Frau Bengtsson, aber sie war nie aufdringlich.
    Als sie erfuhr, dass sie zum Theologiestudium angenommen war, kam Rakel herüber und brachte ausgerechnet selbstgebackene Zimtschnecken mit, was Frau Bengtsson fast (aber auch nur fast) zu Tränen gerührt hätte. Die Schnecken besiegelten sozusagen die Mentorschaft zwischen ihr und dem jungen Mädchen. Eine moderate Mentorschaft natürlich. Frau Bengtsson wollte sich
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