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Franklin Gothic Medium (German Edition)

Franklin Gothic Medium (German Edition)

Titel: Franklin Gothic Medium (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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der Luft. Da es in diesem Teil der Anden kaum Nahrungsmittel gab, außer man hatte vorgesorgt und sich selbst etwas mitgebracht, war die Wahrscheinlichkeit, im Fall einer Entdeckung v erspeist zu werden extrem groß.
    Die ungeliebte dritte Option, das wurde ihm schmerzlich bewusst, wäre die Praktischste. So müsste er nicht ständig für frisches Futter für das Vieh sorgen, würde gleichzeitig die eigenen Vorräte aufstocken und hätte viel weniger Arbeit. Andererseits würde er damit auch auf den Luxus, selbst ab und an etwas Frisches, nicht Tiefgekühltes auf den Teller zu bekommen, verzichten.
    Die verschiedenen Alternativen waren sorgfältig zu überdenken, das Für und Wider abzuwägen, wie die Zutaten für einen gelungenen Kuchen. Noch musste er die Entscheidu ng nicht fällen; noch war Zeit.
    Die Sanduhr voll Zeit für Entspannung und streunende Gedanken hingegen war abgelaufen; gerade fiel das letzte Sandkorn und ein gellender Schrei des Fleisches holte ihn in das Hier und Jetzt zurück.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Kapitel 34 - Schmerz
    Selbst die Hoffnung ist schmerzhaft, wenn sie von Angst überschattet ist.                                                                  (Sir Philip Sidne y)
    Nach den ersten unregelmäßigen Krämpfen fingen die Wehen an in Wellen heranzurollen. Erst in langen Abständen, dann wurde die Flut des Lebens stärker, die Wehen kamen alle fünf, dann alle viereinhalb Minuten. Als der Rhythmus sich bei vier Minuten eingepegelt hatte, klapperte es an der Futterluke und es wurden frische Handtücher hindurchgeschoben; sowie etwas, das aussah wie lange, gekochte Mehlwürmer, sich aber als vom Kochen verblic hene Paketschnur herausstellte.
    Der sadistische Zuschauer schien so viel geballte Weiblichkeit in ihrer urtümlichsten Funktion nicht ertragen zu können und hatte sich entfernt, kurz nachdem die Fruchtblase geplatzt war, wie eine prall gefüllte Eiterbeule auf dem Rücken eines Aussätzigen. Schon hatten sie sich über ein wenig Privatsphäre gefreut und anschließend sorgenvoll gedacht, sie würden das hier ganz alleine durchstehen müssen. Ohne Schmerz- oder andere Hilfsmittel, liegend im dreckigen Stroh ihres Gefängnisses oder auf der durchnässten Luftmatratze, die den größten Teil des fruchtigen Ergusses abbekommen hatte. Mit dem Klappern der Luke bekamen sie nun wenigstens etwas, das hilfreich sein würde und fast schon empfanden sie so etwas wie einen Anflug von Dankbarkeit.
    Gierig und sensationslüstern setzte er sich wieder in seinen Sessel. Wie ein Gaffer an einer Unfallstelle, der zu sehr damit beschäftigt ist, jedes noch so morbide Detail in sich auf zu saugen, um den rettenden Notarzt zu rufen, saß er da. Am liebsten hätte Fou-Mai ihn mit ihren Blicken erdolcht. Giftige Blicke schoss sie ihm zu, während sie hinter ihre Liebste robbte, sie unterhalb ihrer Armstümpfe festhielt und sie wacker und tröstend an ihre schmale Brust drückte. In dieser Position, so hoffte sie, wäre Naomi in einer geeigneteren Position für den Rest der Geburt, als flach auf dem schmutzigen Boden liegend. Obwohl wegen der frischen Amputationswunden selbst die sanfteste Berührung ihrer Brust ihr Fleisch in Agonie zusammenzucken ließ, drückte sie die Andere fest an sich, unterdrückte die eigene Qual, um die der Geliebten zu lindern. Hoffnung, dass er sie doch noch in ein Hospital bringen wü rde, hatten sie zu Recht keine.
    Kurze Zeit später öffnete sich, nunmehr zum dritten Mal an diesem Abend, die Tür. Herein kam, wer auch sonst, der wahnsinnige Schlächter, ein großes, verhülltes Gebilde vor sich her schiebend. Mit einem schallenden “Tataaaaaaaa!” und einer angedeuteten Verbeugung, als wäre er Unterhalter in einem Zirkus voll Monstrositäten und hätte nun die Ehre den zyklopischen Zwerg zu präsentieren, zog er die Tücher, die das Gebilde verbargen zur Seite. Was zum Vorschein kam bewies ihnen erneut, dass sein Despotismus wirklich keine Grenzen kannte. Er hatte einen gynäkologischen Stuhl besorgt, alt und abgewetzt, die Sitzfläche war zerschlissen und fleckig, als hätten tausend Frauen tausend Fehlgeburten darauf erlitten. Er entriss die Gebärende den liebevollen Armen ihrer Geburtshelferin, setzte sie, immerhin vorsichtig, auf den grausigen Stuhl und schnallte sie dort mit breiten Lederriemen fest. Derart exponiert lag sie nun breitbeinig und schluchzend da und wand sich in
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