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Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)

Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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aber ich kann nichts riechen und nichts schmekken. Ich bin lebendig, aber ich habe kein … habe kein … habe kein …«
    Deucalion legte eine seiner gewaltigen Pranken auf das Glas, in dem Annunciata untergebracht war. Der Zylinder fühlte sich warm an. »Sag es mir«, ermutigte er sie. »Was hast du nicht?«
    »Ich bin lebendig, aber ich habe kein Leben. Ich bin lebendig, aber auch tot. Ich bin tot und lebendig.«
    Ein erstickter Laut, den Lester von sich gab, lenkte Deucalions Aufmerksamkeit auf ihn. Das Gesicht des Mannes
von der Putzkolonne war vor Schmerz verzerrt. »Tot und lebendig«, flüsterte er. »Tot und lebendig.«
    Erst vor wenigen Stunden hatte Deucalion in einem Gespräch mit einem Angehörigen der Neuen Rasse, Pastor Kenny Laffite, erfahren, dass Victors neueste Geschöpfe von ihrer ganzen Konstruktion her nicht zu Mitgefühl fähig waren; sie konnten weder die Alte Rasse bemitleiden, die sie ersetzen sollten, noch ihre im Labor entstandenen Brüder und Schwestern. Liebe und Freundschaft waren verboten, weil schon die kleinste Spur von Zuneigung die Effizienz der Neuen Rasse bei der Durchführung ihrer Mission beeinträchtigen würde.
    Sie waren eine Gemeinschaft, doch die Mitglieder dieser Gemeinschaft waren nicht auf das Wohl ihrer Art bedacht, sondern dienten nur der Verwirklichung der Vision ihres Schöpfers.
    Lesters Tränen galten nicht Annunciata; er weinte um sich selbst. Die Worte tot und lebendig hallten in ihm nach.
    Annunciata sagte: »Ich habe F-f-fantasie. Es fällt mir so leicht, mir auszumalen, was ich w-w-w-will, aber ich kann keine Hände haben, um Dinge zu berühren, und auch keine Beine, um von hier fortzugehen.«
    »Wir gehen nicht fort«, flüsterte Lester. »Niemals. Wohin könnten wir denn schon gehen? Und warum sollten wir fortgehen?«
    »Ich fürchte mich«, sagte Annunciata, »ich fürchte mich, ich fürchte mich davor zu leben, ohne ein Leben zu haben, vor der Langeweile und der Einsamkeit, der Einsamkeit, der unerträglichen Einsamkeit. Ich bin nichts, aus nichts entstanden und zu nichts bestimmt. ›Gegrüßet seist du, Nichts, voll des Nichts, das Nichts ist mit dir.‹ Jetzt nichts und für alle Zeiten nichts. ›Wüst und leer, wüst und leer, und finster auf der Tiefe.‹ Aber jetzt … jetzt muss ich den
Terminkalender für Mr Helios organisieren. Und Werner ist in Isolierraum Nummer zwei eingesperrt.«
    »Annunciata«, sagte Deucalion, »gibt es Archive, die du anzapfen kannst, um mir Konstruktionszeichnungen des Zylinders zu zeigen, der dich enthält?«
    Ihr Gesicht wurde auf dem Bildschirm ausgeblendet, und ein Diagramm des Zylinders erschien. Sämtliche Drähte und Schläuche waren beschriftet und ihre Funktionen detailliert angegeben. Einer von ihnen führte ihrem Gehirngewebe Sauerstoff zu.
    »Darf ich dich noch einmal sehen, Annunciata?«
    Ihr bildhübsches Gesicht erschien wieder auf dem Monitor.
    Deucalion sagte: »Ich weiß, dass du nicht in der Lage bist, das, was ich für dich tun werde, selbst für dich zu tun. Und ich weiß, dass du nicht fähig bist, mich um diese Erlösung zu bitten.«
    »Es ist mir eine Ehre, Ehre, Ehre, Mr Helios zu dienen. Es gibt noch eine Kleinigkeit, die ich erledigen muss.«
    »Nein. Für dich gibt es nichts mehr zu tun, Annunciata. Du brauchst nur noch … die Freiheit zu akzeptieren.«
    Annunciata schloss die Augen. »In Ordnung. Es ist getan. «
    »Jetzt möchte ich, dass du die Fantasie benutzt, von der du gesprochen hast. Stell dir die Dinge vor, die du dir mehr als alles andere wünschen würdest, mehr als Beine und Hände und die Fähigkeit zu schmecken und zu berühren.«
    Das virtuelle Gesicht öffnete den Mund, sagte jedoch kein Wort.
    »Stell dir vor«, sagte Deucalion, »dass einer dich so gewiss kennt wie jeden Spatz, dass einer dich so gewiss liebt wie jeden Spatz. Stell dir vor, dass du mehr als nichts bist. Das Böse hat dich erschaffen, aber du hast ebenso wenig Böses
in dir wie ein ungeborenes Kind. Wenn du willst, wenn du trachtest, wenn du hoffst, wer weiß, ob deine Hoffnung nicht doch erfüllt wird?«
    Lester flüsterte wie verzaubert: »Stell dir vor …«
    Nach einem kurzen Zögern zog Deucalion den Schlauch für die Sauerstoffzufuhr aus dem Zylinder. Es konnte keine Schmerzen für sie nach sich ziehen, nur einen allmählichen Verlust des Bewusstseins, ein Abgleiten in den Schlaf und vom Schlaf in den Tod.
    Ihr beseligt strahlendes Gesicht begann auf dem Bildschirm zu erlöschen.

7.
    In dem
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