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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
Autoren: Unbekannter Autor
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einer Ausländerin sprechen. »Willkommen an Bord der Schlacht in der Morgendämmerung .«
    Unter meinem Knebel hervor verwünschte ich ihn und seine gesamte Sippschaft; mein Kopf drohte gleich zu platzen.
    »Sie verflucht dich«, erkannte einer.
    Ich sah ihn augenblicklich an, woraufhin alle zurückwichen und die Augen abwandten.
    Was zum Teufel wurde hier gespielt?
    »Wo ist ihr Schwanz?«, flüsterte einer, der dabei auf meine nackten weißen Beine starrte. Dank meiner Straßenmädchenaufmachung gab es davon reichlich zu sehen. Wieso machten sie sich solche Gedanken um meinen Schwanz? Wie viele Menschen hatten denn schon -
    O nein, dachte ich. Sie haben mich aus dem Meer gezogen, sie fürchten sich vor meiner Stimme, sie halten mich für eine Meerjungfrau? Ich konnte nicht anders; die Vorstellung, dass sie mich für eine Sirene hielten, brachte mich einfach zum Lachen, auch wenn ich dabei meinen Knebel durchsabberte. Ich krümmte mich laut heulend zusammen, ohne ihre Reaktion mitzubekommen.
    Eine Meerjungfrau? Na super. Priesterin und Orakel war ich schon gewesen. Meerjungfrau noch nie.
    Dann wurde ich schlagartig wieder ernst.
    Wieso hatten sie mich aus dem Meer gezogen, und wer war Dagon?
    Und was sollte das Gerede von einem Sühnezeichen?
    Während ein weiterer Vers aus dem Dagon-Song durch mein Gehirn tröpfelte, fiel mir alles wieder ein. Ich war durch den roten Sandsteinbogen getreten, auf dessen Sturz die Worte des Übergangs geschrieben standen, und mein letztes Gebet im Jahr 1996 hatte gelautet: »Bitte, Gott, lass mich Cheftu finden. Gib mir alles, was ich brauche, vor allem seine Sprache, damit ich wieder mit ihm zusammen sein kann.«
    »Dagon, Herr des Korns und des Meeres .« Jetzt wurde mir einiges klar! Mir wurde erst heiß, dann eiskalt. Wenn sich dieser Teil des Gebets erfüllt hatte, dann war Cheftu auch hier? Irgendwo?
    Nach einem gebrüllten Befehl setzten wir Segel. Immer noch verschnürt wie ein Rollbraten beobachtete ich, wie sich die Segel mit Wind füllten. Ich hörte den langsamen Trommelschlag des Taktgebers, die Riemen quietschten und knarzten, dann nahmen wir allmählich Fahrt auf.
    Große Schiffe, quadratische Segel und Männer in Kleidern -irgendwie kam mir das alles bekannt vor.
    Aber wer war Dagon?
    Das Schiff wiegte mich sanft im Rhythmus der Ruderschläge, auch wenn mir vor Verwirrung und Beklemmung der Kopf schwirrte - Knebel sind nicht besonders gemütlich. Dann hörte ich Geflüster. Offenbar glaubten sie, ich würde schlafen.
    »Ich verstehe das nicht. Wo ist ihr Schwanz?«, zischelte einer.
    »Sie hat ihn nur, solange sie im Wasser ist. Wie sollte Dagon sie sonst zerstampfen können?«
    Der Erste schnaubte. »Bist du sicher, dass sie ha Fund ist?« Obwohl ich vor diesem Tag noch nie das Wort ha gehört hatte, begriff ich zwischen dem Hören und Verstehen instinktiv, dass es sich dabei um »der«, »die« oder »das« handelte. In diesem Fall hatte »der« einen hochachtungsvollen Beiklang, etwa wie in »Der große Gatsby«.
    »Sie hat auf haDerkato angesprochen, richtig? Außerdem, wer sollte sie sonst sein, am Tage des Fundes mitten in haYam , wenn nicht Dagons Auserwählte?«
    Ha, der große »Derdiedas«, und Yara? Yam bedeutete »Meer«. Wieder fand die Übersetzung irgendwo zwischen meinem Ohr und meinem Gehirn statt. Diesmal erklärte mir der innere Dolmetscher nicht nur die Wörter, sondern lieferte auch den kulturellen Kontext dazu. Für diese Menschen brauchte das Mittelmeer keine nähere Bezeichnung, denn es war außer Konkurrenz. Es war »das Meer«.
    »Sieh dir ihre Juwelen an; glaubst du, sie könnte von geringerem Stand sein? Niemand außer der Braut des Meereskönigs kann so etwas besitzen. Das Licht des Mondes glüht darin.«
    »Und so farbenprächtig«, ergänzte der Zweite nachdenklich.
    Offenbar unterhielten sie sich über meinen Neonschmuck. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen.
    »Sie ist sehr hübsch«, meinte der Misstrauische.
    »Ken.«
    Ich gab mir Mühe, nicht zu erröten.
    »Schade, dass sie sterben muss.«
    Wie bitte?
    »Ach, nun ja, Dagon wünscht es eben so.«
    »B’seder.«
    Sie zogen fachsimpelnd ab, während ich liegen blieb und versuchte, mein rasendes Herz zur Ruhe zu bringen. Zu schade, dass ich sterben musste? Was wurde hier gespielt? Ich rang kurz mit meinen Fesseln, in dem irrationalen Versuch freizukommen, auch wenn ich nirgendwohin konnte.
    Als es still um mich herum wurde, schlug ich die Augen auf und stellte zu meiner
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