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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
Autoren: Unbekannter Autor
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saß fest. Ich fluchte, weil ich unter Wasser gezogen wurde und nur meine Beine mich wieder an die Oberfläche zurückbringen konnten. Wie aus weiter Ferne hörte ich Gesang: »Dagon, Herr des Meeres, wir verneigen uns vor dir.« Mein Gehirn feuerte immer wieder das Bild ab, das sich mir geboten hatte: ein Kanu mit vier bärtigen Männern in Kleidern. Das Ding über mir zog sich enger zusammen, rutschte tiefer und fesselte auch meine strampelnden Beine.
    Diesmal würde ich endgültig ertrinken.
    »Dagon, unser Herr, wir bringen -« Den Rest bekamen meine Ohren nicht mehr mit. Wasser brannte in meiner Nase, das altvertraute, salzige Mittelmeerwasser. Ich hätte nie gedacht, dass es einmal das Letzte sein würde, was ich - ich wurde aus meinem Gedanken gerissen, weil jemand meinen Kopf über Wasser zerrte, und zwar an den Haaren, die dadurch halb aus den Wurzeln gerissen wurden.
    »Sie ist so schön, wie es dir gebührt. Nimm sie, Dagon -« Das Gesinge ging immer weiter, während ich erst aufkreischte, dann durchatmete und mit aller Gewalt um Beherrschung kämpfte, um meine Pseudoretter nicht zu vertreiben. Ein Erinnerungsfetzen aus meiner Ausbildung beim Militär warnte mich, dass die meisten Menschen erst bei ihrer Rettung ertranken. Nicht kämpfen, Chloe. Nicht. Ich hustete Wasser, und meine Augen tränten, bis die Welt um mich herum verschwamm.
    Als ich zum dritten Mal unterging, wurde ich von Armen gepackt. Eine Hand bedeckte meinen Mund, eine andere Stimme beschwor mich, leise zu bleiben und nicht zu zappeln, sie hätten mich gefangen, um mir Ehre erweisen zu können.
    Ich wollte nicht, dass man mir Ehre erwies, ich wollte freikommen!
    Es kostete mich meine gesamte Willenskraft, nicht laut zu schreien, als sie erneut meinen Kopf hochzogen und dabei schon wieder meine Haare als rüden Haltegriff verwendeten. Dann fassten sie mich unter den Ellbogen und hievten mich in ihr Kanu.
    »Aus haDerkato leuchtet in Schönheit die Liebe Dagons, unseres Herrn«, sangen sie. Der harte Aufschlag meines Körpers auf dem Holz vibrierte in meinem Leib nach, verschlug mir den Atem, lähmte mich einen Moment. Ich konnte nichts sehen, weil mir mein nasses, schweres Haar ins Gesicht hing.
    »HaDerkato erfreut das Herz des Herrn des Korns.« Ich hustete noch einen Mund voll Wasser aus und spuckte ihn durch das - Netz? -, in dem ich gefangen war. Ich war stinksauer. Man hatte mich mit einem Netz aus dem Wasser gezogen? Wie einen Fisch? »Dagon, Herr über das Meer ...« Ich kämpfte darum, Luft zu bekommen. Ich zappelte in meinem Gefängnis, doch dann erlahmten meine Kräfte für einen Moment. Fast zu ertrinken war Schwerstarbeit. Ich war erschöpft.
    Ich nieste.
    »HaDerkato segnet uns«, sagten sie. »Dagon, unser Herr, schließt sie in seine Arme.« Hastig machte ich in meinem Körper Inventur. Alles schien zu funktionieren - Arme, Beine, Rumpf, Hals. Auch wenn mein Kopf sich immer noch irgendwie losgelöst anfühlte, verstand ich, was diese - Seeleute? -sagten. »Dagon, Herr des Korns, dieses Geschenk bieten wir dir dar ...«
    Der anbrechende Tag hatte den Himmel blau gefärbt, über uns zogen Schleierwolken dahin. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte, dass sie mich hinten im Kanu abgeladen hatten - allerdings war es kein richtiges Kanu, eher ein kleiner Kahn - und ich quer über einer Planke im Heck lag, weshalb meine Füße knapp über dem Wasser baumelten. Im Netz verheddert, wie ich war, konnte ich nur meine Beine, den Himmel und gelegentlich einen Fuß mit Sandale sehen.
    Sandalen, Männer in Kleidern.
    » Wir flehen dich an, nimm dieses Zeichen unserer Sühne an.«
    Meine Augen flogen auf.
    »Sie wacht auf!«, rief jemand.
    »Wo ist ihr Schwanz?«, fragte eine zweite Männerstimme.
    »Haltet sie, ehe sie zurückkehrt!« Das Netz wurde mir heruntergerissen, und die Hände und Füße wurden mir trotz meiner stummen Gegenwehr gefesselt.
    Wenn ich zu sehr kämpfte, würde ich über Bord gehen und ganz eindeutig ertrinken. »Schaut ihr nicht in die Augen«, warnte einer. Ich riss den Mund zu einem Schrei auf.
    »Bringt sie zum Schweigen, ehe sie Dagon anrufen kann«, sagte jemand. Ich wurde mit salzigen Lumpen geknebelt.
    »Bedeckt eure Ohren, hütet euch vor ihrem Blick!«, meldete sich der Nächste zu Wort, ohne dass die Anrufung Dagons auch nur einen Moment unterbrochen wurde.
    »Wieso hat sie Beine?«, fragte einer. »Als Gefährtin Dagons müsste sie doch eine Rückenflosse haben oder Bauchflossen oder einen
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