Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
arbeitete so gut wie gar nicht, Keishas Wagen brauchte jetzt vier neue Reifen – in den letzten Monaten war sie ohnehin schon mit drei abgefahrenen unterwegs gewesen –, und Matthew musste sich diese beiden Zähne ziehen lassen. Momentan konnte Keisha es sich nicht leisten, wählerisch zu sein, und außerdem hatte Justin Wilcox ihrer Meinung nach genauso viel zu verlieren wie sie selbst – vielleicht sogar mehr. Immerhin waren es seine Eltern, die hier ausgetrickst werden sollten.
    Der Junge war nicht schlecht, das musste sie zugeben. Er hatte sich das Ganze nicht nur ausgedacht, sondern seinen Teil fehlerlos durchgezogen. Durch Terry Archer, einen seiner früheren Highschool-Lehrer, war er auf Keisha aufmerksam geworden. Die Klasse hatte ihn damals überredet, ein paar Einzelheiten über eine alte Familiengeschichte auszuplaudern. Die Eltern seiner Frau Cynthia waren spurlos verschwunden, als sie vierzehn war, und fünfundzwanzig Jahre lang wusste Cynthia nicht, was aus ihnen geworden war.
    Die Geschichte machte große Schlagzeilen, als herauskam, was tatsächlich geschehen war. Sogar CNN berichtete darüber. Archer hatte seinen Schülern erzählt, dass ein Drama wie dieses alle möglichen Leute aus ihren Löchern lockte, und war dabei auf dieses Medium aus Milford zu sprechen gekommen, das behauptet hatte zu wissen, was Cynthias Familie zugestoßen war. Ihre Masche war, aus den Nachrichten Meldungen über Menschen herauszupicken, die verzweifelt nach vermissten Angehörigen suchten. Bei denen schneite sie dann herein und bot ihre Hilfe bei der Zusammenführung der Familie an. Nicht ohne ihnen dafür tausend Dollar abzuknöpfen, versteht sich.
    Keisha erinnerte sich sehr gut an Terry Archer. Viel schwerer wäre es ihr gefallen, ihn zu vergessen. Er war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen, genauso wie seine Frau. Schon bei ihrer ersten Begegnung im Fernsehsender, der einen Beitrag über Keishas spektakuläre Vision bringen wollte. Und erst recht bei der zweiten, als sie die Archers zu Hause aufsuchte und diese sie buchstäblich vor die Tür setzten.
    Da will man Menschen helfen ..
. Keine gute Tat bleibt ungesühnt, pflegte ihre Mutter zu sagen.
    Archers Geschichte war Justin nicht aus dem Kopf gegangen, obwohl es schon vier Jahre her war, dass er sie gehört hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass sein neuer Stiefvater, Dwayne, voll auf solche Sachen abfuhr. Er glaubte daran, dass manche Menschen diese Gabe besaßen, dass sie Dinge spüren konnten, die anderen verborgen blieben. Er sah sich sogar die Wiederholungen von
Ghost Whisperer – Stimmen aus dem Jenseits
an, was Justins Mutter auf die Palme brachte. Marcia sagte, wahrscheinlich würde auch sie die Toten dazu bringen, mit ihr zu kommunizieren, wenn sie die ganze Zeit mit tief ausgeschnittenen, rückenfreien Kleidern durch die Gegend liefe wie Jennifer Love Dingsbums.
    »Es gibt Dinge«, hatte Dwayne zu seiner Frau gesagt, »die sich nicht allen Menschen erschließen.«
    Das sei der Moment gewesen, erzählte Justin Keisha, in dem die Idee in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte. Der endgültige Auslöser, sie auch zu verwirklichen, war, dass seine Mutter ihm den Geldhahn zugedreht hatte. Anfangs hatte sie ihm noch fünfzig Dollar die Woche gegeben, über die er keine Rechenschaft ablegen musste, aber wie weit kam man schon mit fünfzig Dollar? Das reichte nicht mal für eine Nacht. Wie sollte man damit sein Bier und sein Gras, vielleicht auch noch was Stärkeres, und auch noch was zu essen bezahlen? Er versuchte, seiner Mutter klarzumachen, ohne das Bier und das Gras explizit zu erwähnen, dass fünfzig Dollar in ihrer Jugend vielleicht noch ein Jahresgehalt waren, dass man damit heutzutage aber nicht einmal den Tank halb voll kriegte.
    Dann geh arbeiten, hatte Marcia gesagt.
    Darauf lief es also hinaus.
    Eine Zeitlang war es ihm noch gelungen, ihr gelegentlich einen Hunderter herauszuleiern. Einmal behauptete er, er spiele mit dem Gedanken, wieder zur Uni zu gehen. Das entlockte seiner Mutter ein Lächeln. Er hatte sein Studium an der University of Connecticut schon nach dem ersten Semester geschmissen. Die Partys waren zwar ganz nach seinem Geschmack gewesen, die Vorlesungen jedoch eine rechte Zumutung. Er erzählte ihr, er sei wieder zur Vernunft gekommen und habe die Absicht, sich an einer Wirtschaftsakademie in Manhattan einzuschreiben. Es sei Zeit, etwas
Praktisches
zu lernen. Schluss mit dem Schmus, mit dem sie einem auf der Universität das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher