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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten
Autoren: Linwood Barclay
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’ner Telefonzelle.«
    Sie dachte nach. »Da gibt es noch ein Problem.«
    »Und zwar?«
    »Das Geld. Da ist nicht genug drin für uns beide. Normalerweise verlange ich einen Tausender. Das ist ziemlich wenig Geld für so viel Aufwand.«
    Justin schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln. »Du zielst zu tief. Dwayne und meine Mom, die nagen beide nicht am Hungertuch. Ihnen nur einen Tausender abzuknöpfen wäre geradezu eine Beleidigung. Da kannst du ruhig fünf verlangen.«
    Wenn sie mit Justin halbe-halbe machte, waren zweitausendfünfhundert für sie. Auf die Schnelle. Steuerfrei. Denn das war eindeutig eine Schwarzgeldoperation. Nicht schlecht für einen Tag Arbeit. Mehr würde es im Endeffekt wohl nicht sein. Wie sollte sie so ein Angebot ablehnen? Sie musste sich zwar mit jemandem zusammentun, aber sonst war es eine einfache Sache. Und es kam schließlich nicht jeden Tag vor, dass Menschen verschwanden und sie deren Familien ihre besonderen Dienste anbieten konnte.
    Von irgendetwas musste sie schließlich leben. Wenn sich nicht bald etwas ergab, musste sie wieder putzen gehen, und sie wollte sich nicht mehr mit zickigen, reichen Hausfrauen im Fastenmodus herumschlagen, die schon einen Herzinfarkt kriegten, wenn sie nach Hause kamen und ein aufgeweichtes Cheerio im Besteckkorb fanden.
    Vielleicht lag es ja an der Rezession, aber Keisha hatte in letzter Zeit überhaupt weniger Zulauf gehabt. Sie betätigte sich nämlich zusätzlich noch als Handleserin, Wahrsagerin und Organisatorin spiritistischer Sitzungen. Und konnte auch noch mit ein bisschen Astrologie aufwarten, wenn es den Kunden selig machte. Keine große Sache, wenn man über eine blühende Phantasie verfügte, man musste ihr nur freien Lauf lassen.
    Vor Jahren hatte Keisha bei einer Frau geputzt – keines dieser reichen Ekelpakete, sondern eine nette Dame –, die früher in einer Zeitungsredaktion in Kalifornien gearbeitet hatte. Dort gingen einmal die Beiträge für drei Wochen Astrologie-Kolumne, die sie von außerhalb bezogen, in der Post verloren. Also dachte sie sich selbst etwas aus. »Nehmen Sie den zweiten Bus, nicht den ersten. Ein guter Tag, um in eine Freundschaft zu investieren. Ein kleine freundliche Geste wird reichen Lohn bringen.« Das war doch keine Hexerei, oder? Bei der Redaktion gingen sogar ein paar Anrufe ein, die sich lobend über die Treffergenauigkeit der jüngsten Horoskope äußerten. Wenn diese Dame das konnte, was sollte sie selbst dann abhalten?, fand Keisha.
    Immerhin hatte sie ein paar Stammkunden, die ihr die Treue hielten. Die 82-jährige Penny zum Beispiel, eine völlig übergeschnappte Alte, die Keisha jede Woche besuchte, damit sie mit dem Kind reden konnte, das sie abgetrieben hatte, als sie siebzehn war. Die ließ jedes Mal einen Hunderter springen, weil Keisha ihr genau das sagte, was sie hören wollte. »Ihre ungeborene Tochter vergibt Ihnen. Sie ist Ihnen sogar dankbar, dass Sie sie nicht in diese Welt gesetzt haben.«
    Und Chad, den schwulen Inhaber eines Naturkostladens in Bridgeport, dem sie jedes Mal aus der Hand lesen musste, wenn er sich in eine neue Beziehung stürzte, was ziemlich oft der Fall war. Oder Gail, eine ihrer anhänglichsten und zahlungskräftigsten Klientinnen, die daran glaubte, in einem früheren Leben entweder eine ägyptische Königin, die Jungfrau von Orleans oder Mary Todd, die exzentrische Frau von Abraham Lincoln, gewesen zu sein. Keisha stattete ihr wenigstens alle vierzehn Tage einen Besuch ab und wäre auch gerne öfter zu ihr gegangen. Leider sorgte Gails Mann Jerry dafür, dass diese nicht ihr ganzes Geld für solche Spinnereien verschwendete.
    Trotzdem reichte es gerade mal für das Nötigste, insbesondere seit ihr Freund Kirk, der sich bei ihr eingenistet hatte, nicht mehr arbeiten konnte. Er hatte sich vor fünf Monaten, als er noch einen Teilzeitjob bei Garber-Bau hatte, einen Betonschalstein auf den Fuß fallen lassen. Der Fuß war schon fast wieder heil, und Kirk humpelte auch kaum mehr. Außer wenn er sich vor etwas drücken wollte, wie den Müll hinauszutragen oder in der Einfahrt Schnee zu schaufeln, damit Keisha mit ihrem Wagen hinauskam.
    Früher war er ganz anders gewesen.
    Gut, er hatte die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gefressen, das musste Keisha zugeben. Witze und Anspielungen, in denen es nicht um Titten ging, schnallte er selten, und auch sonst hatte er eine eher lange Leitung. Doch als sie ihn vor dreizehn Monaten kennengelernt hatte, hatte er ihr Herz im
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